Weiter Weg zum Job

2.1.2015, 17:12 Uhr
Weiter Weg zum Job

© Ingrid Jungfer

Johannes Seeberger ist sich sicher „Er macht es sehr gut.“ Denn Hossein habe eine gute Beobachtungsgabe, sei fleißig, gern gesehen bei Kunden wie Kollegen und sei sehr engagiert. Einer der Mitarbeiter, so erzählt er, wollte die fällige Arbeitspause einlegen. Eine Pause? „Nein“, so Hossein, „wir haben noch so viel zu tun“.

Das handwerkliche Arbeiten hat der 25-Jährige schon kennengelernt beim Jobben in Isfahan, wo er aufgewachsen ist. Überzeugt hat es ihn nicht. Auch nicht nachdem Hossein eine zwölfjährige Schulausbildung absolviert, dabei Arabisch und Englisch gelernt , das Abitur gemacht und nach einem kurzen Vorstudium Soziologie studiert hatte.

Nach vier Jahren erwarb er sein Diplom, arbeitete erneut nebenbei und schrieb zusätzlich von Iran aus als freier Journalist oppositionelle Texte für eine englische Zeitung. Jetzt, so verrät der sympathische junge Mann, wolle er arbeiten, Geld verdienen, später vielleicht noch ein Ingenieurstudium anhängen.

Dass er momentan eigenes Geld verdienen kann, das verdankt er auch der Bereitschaft von Johannes Seeberger, der eigentlich mit zwei neuen Lehrlingen ab September seine sonst übliche Ausbildungskapazität bereits um 100 Prozent überschritten hatte.

Aber Seeberger wollte Hossein eine Chance geben und beobachtete ihn bei einem einwöchigen Praktikum in der Firma. Hossein machte seine Sache ausgezeichnet und so erkundigte sich Seeberger beim Fachverband der Handwerkskammer, ob er Hossein ausbilden dürfe. „Nein, dürft ihr nicht“, so die Antwort. Dann kontaktierte er die Arbeitsagentur. „Keine Ahnung“ hatte man dort. Was jetzt?

Klaus Schäfer aus Heßdorf half. Er hatte Hossein in der Freien Evangelischen Kirche Erlangen kennengelernt. Denn Hossein stammt aus einer Familie evangelischer Christen, ist also kein Moslem. Schäfer wiederum ist ehemaliger Ingenieur mit Auslandserfahrung und Durchsetzungskraft, ehrenamtlicher Betreuer von Asylbewerbern, auch von Hossein.

Und als der ihm erzählt hatte, dass er sich bei der Firma Seeberger um die im Internet ausgeschriebene Lehrstelle bewerben möchte, übernahm Klaus Schäfer die Regie. Keine schriftliche Bewerbung, sondern die persönliche Vorstellung hatte er Hossein verordnet. Und ihn kurzerhand zum Handwerksbetrieb nach Weisendorf begleitet. Es soll ein längeres Gespräch gewesen sein. Am Ende einigte man sich auf die bereits erwähnte Praktikumswoche.

Zum bis dahin noch nicht geklärten Lehrverhältnis griff Klaus Schäfer auf „besondere Kontakte“ zurück, verwies sie auf Passagen aus gesetzlichen Vorschriften und führte die zuständigen Stellen telefonisch zusammen, so seine Kurzform dessen, was er letztendlich erreichte hatte. Das Ergebnis dieser Kontakte mit den Zuständigen: Hosseins Ausbildung zum Anlagenmechaniker Sanitär, Heizung und Klimaanlagen ist legal, weil er bereits seit über neun Monaten in Deutschland lebt. Damit ist er im Landkreis ERH tatsächlich der einzige von etwa 200 Asylbewerbern, der eine Lehrstelle bekommen hat.

Als „geduldeter“ Flüchtling wohnte er zunächst in Heßdorf in einer Unterkunft für Asylbewerber. Bis er die Lehrstelle antrat und aus der Unterkunft ausziehen und innerhalb von drei Wochen eine Privatwohnung suchen musste. Denn das Sozialamt unterstützt keinen Lehrling; das Jobcenter sollte dies übernehmen.

Ein Brief vom Bundesamt

Kurz nach Lehrbeginn kam dann der Brief vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit der Anerkennung als Flüchtling und einem überall gültigen und auf drei Jahre befristeten Ausweis. Nach dieser Zeitspanne kann er dann, hat er sich zwischenzeitlich nichts zu schulden kommen lassen, einen deutschen Pass beantragen.

Dennoch gab es ein Problem. Mit der Anerkennung und der gleichzeitigen Lehrstelle fiel auch die Unterstützung des Jobcenters weg. Zuständig war nun die Agentur für Arbeit. Zur Bearbeitung eines Antrags braucht sie in der Regel fünf Monate. Zu lang für einen mittellosen Lehrling.

Hossein wollte die Lehre abbrechen, Schäfer war empört. „Den späteren Steuerzahler lassen wir hängen. Der ohne Stelle bekommt Hartz 4“, so sein Argument; als er sich erneut an oberste Behörden wandte. Und erfolgreich war. Denn jetzt bekommt Hossein – bezogen auf sein Lehrlingsgeld — einen Zuschuss zu Ausbildung, Buskosten und Miete, denn seit November wohnt Hossein in einer kleinen Wohnung im Marktort. Ohne Klaus Schäfer, sind sich Hossein und Chef Seeberger einig, hätte es weder Lehrstelle noch eigene Wohnung gegeben.

Und weshalb ist Hossein aus dem Iran geflüchtet? Nicht aus wirtschaftlichen Gründen, sondern weil er auf der Fahndungsliste der Regierung stand. Seine Zeitungsartikel waren zu kritisch, er schrieb für die Auslandsopposition und eine englische Zeitung. Als dann die schriftliche Aufforderung kam, sich bei der Polizei zu melden, wusste Hossein, dass dies Gefängnis bedeutet. Sofort, ohne dass man jemand verständigen könnte.

Also flüchtete er im Winter über die türkische Grenze — bei Schnee, zu Fuß und ohne Papiere. Zwei Tage brauchte er bis zur osttürkischen Stadt Van. In Istanbul wartete er sechs Monate auf Entwarnung aus Iran. Die blieb aus. Und so ging es weiter nach Griechenland, Frankreich, Belgien, einen Ausweis hatte er inzwischen. Eigentlich wollte er nach England. Zwei Versuche scheiterten. Schlepper legten ihn herein, nahmen ihm die schmale Barschaft ab.

Februar 2013 landete er in Deutschland im Erstaufnahmelager Zirndorf, wo sich jeder Asylbewerber den Fragen eines Richters, flankiert von einem Übersetzer, stellen muss. Auch der: „Warum bist du gekommen?“Als Beweisdokumente für seine politische Verfolgung hatte er inzwischen seine kritischen persischen und englischen Zeitungsartikel besorgen können.

Dann ging es weiter nach Heßdorf. 16 Monate lebte er dort und besuchte in Eigeninitiative einen siebenmonatigen Deutschkurs des Berufsförderzentrums in Erlangen. Sogar ein einmonatiges Praktikum bei einer Firma für Gebäudetechnik hatte er ergattert. Als er dann dort eine Ausbildung machen wollte, hieß es: „Für Asylbewerber gibt es keine Paragraphen.“

Hossein betont es erneut:„Ohne Herrn Schäfer hätte ich es nicht geschafft.“ Die Ausbildung bei der Firma Seeberger nämlich, deren Chef überzeugt ist, dass Integration nicht nur durch Arbeit oder eine Weihnachtsfeier in der Firma, sondern auch durch den engen Kontakt mit Kollegen und Kunden gelingt, das Erlernen der deutschen Sprache eingeschlossen. Das eindeutige Votum von Hosseins Mitschülern in der Berufsschule gehört ebenso dazu. Sie haben ihn zum Klassensprecher ernannt.

„Auch andere Studierte in der Unterkunft Heßdorf möchten arbeiten und sich eine Zukunft schaffen“, so Hossein. Dies entspricht ganz den Äußerungen von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble, der die Zuwanderung von Asylbewerbern mit der der damaligen Flüchtlinge des Zweiten Weltkriegs, später der Gastarbeiter verglichen hat. All diese Gruppen hätten zum Aufbau des Landes beigetragen. Auch heute brauche man Zuwanderung, so der Minister.

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