Wie kann das Handwerk im Landkreis überleben?

2.9.2018, 09:00 Uhr
Wie kann das Handwerk im Landkreis überleben?

© Foto: Horst Linke

Frisör Stark in Herzogenaurach zählt zu den wenigen Glücklichen. Sarah Schirmel hat sich für eine Ausbildung im Familienbetrieb entschieden. "Ich hocke einfach nicht gerne den ganzen Tag im Büro, sondern habe lieber mit Menschen zu tun", erklärt sie. Haare schneiden darf sie bislang noch nicht – zumindest die der echten Kunden. Bald soll es aber soweit sein. Das hofft nicht nur die Auszubildende, sondern vor allem Friseurmeister Maximilian Stark. Er braucht im Alltagsgeschäft dringend Hilfe: "Oft bin ich unter der Woche alleine im Geschäft, wir müssen sogar Laufkundschaft manchmal wegschicken, weil wir einfach keine Kapazitäten mehr haben", erklärt er.

Woran liegt es, dass sich kaum mehr jemand für das Friseurhandwerk interessiert? "Der Ruf ist einfach zu schlecht", vermutet Jutta Stark, die den Betrieb leitet. Und das leider oft genug zu Recht: "Es gibt Betriebe, die lassen ihre Lehrlinge drei Jahre lang die Haare wegfegen", empört sich Stark. Viele würden nicht verstehen, dass man erst in einen Auszubildenden investieren muss, um dann einen fähigen Mitarbeiter zu erhalten. Die Folge: "In den nächsten zehn Jahren wird es deutlich weniger Geschäfte geben", so Jutta Stark.

Ansehen stark gesunken

Und noch ein Problem gibt es: "Einige sehen in ihren Azubis ihre spätere Konkurrenz", so Maximilian Stark. "Aber das ist völliger Schwachsinn, solche Einstellungen bedrohen die Zukunft unseres Berufes."

Eine Sorge, mit der er in der Region nicht alleine ist. Viele Plätze werden am Montag, beim Start vieler Ausbildungen, leer bleiben. Schuld daran ist wohl nicht nur, dass für viele junge Menschen eine Ausbildung oder bestimmte Branchen unattraktiv sind, sondern auch, dass potenzielle Azubis Angebote dort suchen, wo sie oft nicht zu finden sind – im Internet und auf den sozialen Netzwerken. Gerade kleinere Betriebe tun sich oft schwer, dort ihre Gesuche an die Auszubildenden zu bringen. Die traditionellen Wege, um Lehrlinge zu suchen, reichen nicht mehr aus, meint die Bundesbildungsministerin Anja Karliczek auf NN-Nachfrage (ausführlicher Bericht unten). "Die Betriebe müssen ihre Begeisterung kreativ rüberbringen und können beispielsweise kleine Image-Filme drehen." Das sieht Maximilian Stark ähnlich: "Wir versuchen, vor allem online den Kontakt zu potenziellen Bewerbern herzustellen."

"Keine Lust" – das bekommen auch seine Unternehmer-Kollegen in anderen Branchen immer häufiger zu hören. "Viele junge Leute räumen lieber Regale im Supermarkt ein, nach dem Motto: die paar Stunden am Tag bekomme ich schon rum", seufzt Petra Pöllmann, Geschäftsführerin des Landhotel 3 Kronen. "Es geht nur noch um Faktoren wie Freizeit und auf gar keinen Fall Arbeiten am Wochenende." Nichtsdestotrotz gesteht sie ein, dass "der Ruf der Branche ruiniert ist." Schuld daran seien Betriebe, die ihre Mitarbeiter ausbeuten und sich an keine gesetzlichen Arbeitsschutzvorgaben halten. Eine Chance, das Image-Problem gemeinsam anzugehen, sieht sie nicht. "Mit manchen anderen Betrieben könnten wir gar nicht an einem Tisch sitzen", sagt sie. Das Landhotel versucht daher, aus der Masse hervorzustechen. "Wir wollen mit gutem Beispiel vorangehen, das ist meine persönliche Maxime", erklärt Pöllmann. Dazu zahlt das Hotel ihren Mitarbeitern Boni – etwa für besonders gute Leistungen oder am Geburtstag.

Konkurrenzdruck steigt enorm

Die Unternehmen spüren auch, wie die Konkurrenz um immer weniger Azubis steigt. "Eine unserer Azubis hat gewechselt, weil ihr von einem anderen Betrieb ein Geschäftswagen versprochen wurde", so Pöllmann. Andere locken direkt mit mehr Gehalt. "Es wird definitiv mehr abgeworben, teilweise kommt die Konkurrenz direkt zu einem Lehrling und verspricht ihm 100 Euro mehr im Monat", beobachtet auch Metzgermeister Norbert Gimberlein aus Weisendorf. Solche Mittel gehen – Konkurrenz hin, Azubi-Mangel her – zu weit, findet Petra Pöllmann. "Wenn 100 Euro schon entscheidend sind, gleich den Betrieb zu wechseln, muss man auch fragen, ob die Persönlichkeit des Azubis zum eigenen Unternehmen passt."

Die Metzgerei Gimberlein und das Landhotel 3 Kronen haben aber immerhin noch einige Azubis gefunden – auch wenn der Bedarf noch um einiges größer wäre. Bäckermeister Werner Fumy von der Mühlenbäckerei in Höchstadt hat hingegen am Montag keinen einzigen Lehrling. Und das nicht zum ersten Mal: "Seit vier, fünf Jahren rührt sich gar nichts mehr", sagt er. Sein größtes Problem: "Der Beruf ist scheinbar so unattraktiv geworden, dass wir immer nur die ,Ausgesiebten aus der Berufsschule angeboten bekommen", beschwert er sich. "In der Bäckerei muss man rechnen können. Mit jemandem, der nur Sechsen in Mathe hat, kann ich nichts anfangen". Dass die Arbeitszeiten abschrecken, glaubt er nicht. "Lehrlinge fangen nicht vor 5 Uhr an, das ist in der Fabrik genauso", sagt Fumy.

Er vertraut nun auf eine andere Strategie: "Ich setze meine Hoffnungen auf Flüchtlinge, die sich für das Handwerk begeistern lassen", so Fumy. Damit ist er im Landkreis nicht alleine: Auch Petra Pöllmann bildet derzeit einen Geflüchteten zum Hotelfachmann aus. "Das ist eine Richtung, die für uns sehr interessant ist."

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