Zwischen Glitzerkostümen und Kamelmist

27.3.2014, 09:00 Uhr
Zwischen Glitzerkostümen und Kamelmist

© Berny Meyer

In der Pfanne brutzelt Butter. Im Fernsehen läuft ein Zeichentrickfilm. Es ist Mittagszeit, Alicia ist gerade von der Schule heimgekommen. „Schön war‘s“, sagt die Achtjährige und schiebt hinterher: „Es gibt nämlich keine Hausaufgaben.“ Statt sich jetzt an den Mittagstisch zu setzen, läuft Alicia erstmal nach draußen und streichelt Kamele. Später will die junge Schlangenakrobatin noch für ihre Auftritte üben.

Das Mädchen lebt im Zirkus. Es ist hier geboren, sein Zuhause ist überall und nirgendwo. „Für die Kinder ist das nicht immer einfach“, sagt Burkhard Riedel, der seit wenigen Woche mit den Clowns, Dompteuren und Akrobaten des Zirkus Henry zusammenlebt. Denn für die Kinder der Zirkusleute heißt es alle paar Wochen: eine neue Schule besuchen, neue Lehrer, neue Klassenkameraden. Heute hier, morgen dort.

Eine große Familie

Das Leben, in das Alicia, die Enkelin des Zirkusdirektors hineingeboren wurde, hat Burkhard Riedel nun freiwillig gewählt.

Ein Jahr lang will der 57-Jährige mit dem Zirkus von Stadt zu Stadt ziehen, eine neue Welt entdecken, eine Welt, zu der glitzernde Auftritte genauso gehören wie Eselmist. Was dem gebürtigen Lübecker schon jetzt besonders gefällt: „Wir sind eine große Familie.“ Was arg nach Klischee klingt, meint Riedel durchaus ernst. „Alle helfen sich gegenseitig.“ Zu dieser Zirkusromantik passt auch die Anekdote, wie Riedel zu seinem Zirkusjob gekommen ist, ganz wunderbar.

Vor einem Jahr etwa verweilte der Zirkus Henry in Gautingen bei München, wo Riedel seit Jahren lebt. Dort lernte Riedel den Zirkusdirektor Georg Frank kennen, schloss Freundschaft und vereinbarte mündlich: „In einem Jahr schließe ich mich dem Zirkus an.“ Frank nahm ihn beim Wort. Heute, ein Jahr später, sitzt Riedel im Zirkuswagen. Der Kaffee in seiner Tasse schwappt hin und her, denn im Wohnwagen zu leben ist „wie auf einem Schiff“. Vor allem, wenn die Waschmaschine rattert, dann bebt der ganze Boden.

Dass der hochgewachsene Mann in dem roten Frack mit Glitzersteinen vor einiger Zeit noch Chefredakteur einer englischen Zeitschrift war und nebenher für Die Zeit, den Stern oder die Süddeutsche Zeitung schrieb, mag man sich kaum vorstellen. „Irgendwann hatte ich genug vom Redaktionsalltag“, sagt Riedel. Die Routine langweilte ihn. Das Fernweh melde sich, die Sehnsucht nach Neuem und nach Freiheit trieben ihn.

Also reist er jetzt mit dem Zirkus, macht die Pressearbeit und ist ein wenig Mann für alles — Riedel packt beim Aufbau mit an, treibt die Kamele in den Stall und begrüßt die Zuschauer vor der Manege. Heimweh hat er keines. Überhaupt hat er kaum Persönliches mitgenommen — nur eine Matratze, sein Fahrrad, den Laptop und Klamotten.

Wer nach seiner Biografie fragt, erahnt sofort: Riedel ist ein Lebenskünstler, ein Weltenbummler mit einem unruhigen Geist, immer auf der Suche nach etwas Neuem.

Er arbeitete in Costa Rica im Urwald, schrieb Bücher, beriet Auswanderer und gab Coachings zum Thema „Lebensmanagment“. Und jetzt eben Zirkus. Damit schließt sich für Riedel ein Kreis. Denn vor vielen Jahre wollte er eigentlich einmal Tierarzt für Raubtiere und Exoten werden.

Die erste Aufführung ist am morgigen Freitag, 28. März, um 16 Uhr zu sehen. Der Zirkus Henry bleibt bis zum 6. April auf dem Festplatz an den Aischwiesen. Die Vorstellungen gibt es immer um 16 Uhr, nur Dienstag und Mittwoch ist immer Ruhetag. Am Sonntag, 30. März, gibt es zwei Vorstellungen (11 und 15 Uhr). Am Sonntag, 6. April findet nur eine Show um 11 Uhr statt. Mehr Infos im Internet unter www.circus-henry.de

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