Im Sog der Korruption: Ingolstadt kämpft um seinen Ruf

19.2.2017, 15:42 Uhr
Rund um das Klinikum Ingolstadt entspinnt sich ein Skandal. Es geht unter anderem um  Beschäftigung eines Familienmitglieds, Wohnungsverkäufe an die Familie, Flüge auf Klinikkosten, Vergabe von Gutachteraufträgen, Abschluss eines Beratervertrages.

© dpa Rund um das Klinikum Ingolstadt entspinnt sich ein Skandal. Es geht unter anderem um Beschäftigung eines Familienmitglieds, Wohnungsverkäufe an die Familie, Flüge auf Klinikkosten, Vergabe von Gutachteraufträgen, Abschluss eines Beratervertrages.

Seit 45 Jahren stellen die Christsozialen den Oberbürgermeister in Ingolstadt - ununterbrochen. Die Heimatstadt von CSU-Chef Horst Seehofer, in der vor 500 Jahren das Reinheitsgebot für das Bier erlassen wurde, wird von einem Skandal erschüttert, der so gar nichts mit Reinheit zu tun hat. Es geht um Vetternwirtschaft am örtlichen Klinikum. Auch ein Wohnungskauf von Ex-Oberbürgermeister Alfred Lehmann (CSU) beschäftigt die Staatsanwaltschaft.

Schon werden Vergleiche mit Regensburg laut. Der dortige Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD) sitzt in Untersuchungshaft, und auch gegen seinen Amtsvorgänger Hans Schaidinger (CSU) ermittelt die Justiz. Sie wirft ihnen Bestechlichkeit im Zusammenhang mit einer Grundstücksvergabe vor. Die beiden etwa gleich großen Städte erleben seit Jahren einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung, sehen sich nun aber dem Vorwurf der Filzokratie ausgesetzt. Der Imageschaden ist enorm. Die Süddeutsche Zeitung machte aus Ingolstadt "Ingeldstadt".

Ombudsmann brachte Stein ins Rollen

Den Stein ins Rollen gebracht hatte in der knapp 130.000 Einwohner zählenden Stadt vor gut einem Jahr der Ombudsmann, der für die Einhaltung der Richtlinien am Klinikum zuständig ist. Er machte die Justiz auf Unregelmäßigkeiten in der Geschäftsführung des Klinikums aufmerksam. Das 1100-Betten-Haus, Bayerns viertgrößte Klinik, gehört zu drei Vierteln der Stadt, den Rest trägt der Bezirk Oberbayern.

Ende 2016 nahmen die Ermittler auch den ehemaligen Rathauschef Alfred Lehmann ins Visier. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit

Ende 2016 nahmen die Ermittler auch den ehemaligen Rathauschef Alfred Lehmann ins Visier. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit © dpa

Der Klinik-Aufsichtsrat veranlasste daraufhin ein Gutachten mit der Folge, dass die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Geschäftsführer Heribert Fastenmeier wegen Untreue einleitete. Im vergangenen Herbst schlugen die Ermittler bei Razzien zu. Sie suchten nach Beweisen, dass Fastenmeier bei der Erstellung und Pflege einer 400.000 Euro teuren Klinik-Homepage die eigene Familie bevorzugt hatte. Auch bei Kopieraufträgen soll Vetternwirtschaft geherrscht haben.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen gegen zwölf Beschuldigte. Es geht um eine Reihe von Vorwürfen, darunter: Beschäftigung eines Familienmitglieds des inzwischen geschassten Klinikchefs, Wohnungsverkäufe an die Familie, Flüge auf Klinikkosten, Vergabe von Gutachteraufträgen, Abschluss eines Beratervertrages.

Rathauschef im Visier

Ende 2016 nahmen die Ermittler auch Lehmann ins Visier, von 2002 bis 2014 Rathauschef. Der 66-Jährige besitze auf dem Gelände des früheren Krankenhauses eine Wohnung. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit gegen den CSU-Politiker sowie wegen Bestechung gegen den Geschäftsführer des Bauträgers. Und Münchens Generalstaatsanwalt prüft, ob Lehmann als Berater für eine Personalvermittlungsfirma gegen Gesetze verstoßen hat. Der Headhunter sollte einen neuen ärztlichen Direktor für das Klinikum finden.

Im Stadtrat wird seit Wochen über die Korruptionsaffäre gestritten. Eine Allianz aus SPD, Grünen, Bürgergemeinschaft und ÖDP lässt nicht locker. In einer Sondersitzung vor vier Wochen beantwortete OB Christian Lösel (CSU) einen langen Fragenkatalog der Opposition. An diesem Dienstag (21.) muss sich der 42-Jährige im Stadtrat erneut Fragen stellen. Sie betreffen auch seine Beteiligung an einer Firma, deren Erlöse er selbst als Altersvorsorge sieht. Eine Verflechtung von Amtsführung und privaten Geschäften verneint der einstige "Ziehsohn" von Alt-OB Lehmann vehement.

In der Korruptionsaffäre verspricht Lösel "eine umfassende Aufklärung aller rund um das Klinikum im Raum stehenden Vorwürfe". Er habe Anwälte und einen Wirtschaftsprüfer mit der externen Aufarbeitung beauftragt, man arbeite intensiv mit der Staatsanwaltschaft zusammen.

Längst ist die Affäre "Ingeldstadt" in der CSU-Spitze angekommen. Wie es heißt, lässt sich Parteichef Seehofer genau darüber informieren, was in seiner Heimatstadt schiefläuft. Auch die Rathauschefs anderer Städte reagieren besorgt auf die Vorgänge in Ingolstadt und Regensburg. Die Bürger registrierten die Skandale sehr wohl, sagt Bayerns Städtetag-Chef Ulrich Maly (SPD).

Strengere Auflagen für das berufliche Engagement aus dem Amt geschiedener Bürgermeister fordert er aber nicht. "Eigentlich genügt es, wenn die gesetzlichen Vorgaben und die Regeln von Anstand und Moral eingehalten werden."

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