Immer mehr Sichtungen: Bayern wird zum Wolfsland

19.12.2016, 08:47 Uhr
Bei den bisher in Bayern gesichteten Tieren handelt es sich um durchwandernde Einzelgänger. Im Nordosten Deutschlands sind bereits Rudel unterwegs.

© Foto: privat Bei den bisher in Bayern gesichteten Tieren handelt es sich um durchwandernde Einzelgänger. Im Nordosten Deutschlands sind bereits Rudel unterwegs.

Ganz sicher sei er sich nach der unerwarteten Begegnung nicht, aber auch alle anderen Erklärungen seien eben nicht schlüssig, erzählt Werner Kirchhoff im Gespräch mit der Pegnitz-Zeitung.

Der Spaziergänger war mit seinem Hund in der Umgebung des Simmelsdorfer Ortsteils Ittling unterwegs. Als er um ein Waldstück bog, kam ihm dieses Tier entgegen, das aussah wie ein Wolf. Grau-bräunlich meliert war das Fell, und die Statur glich einem großgewachsenen Schäferhund mit langen Beinen. Nur etwa 15 bis 20 Meter voneinander entfernt seien sie sich gegenübergestanden.

Ein fremder Hund? Kirchhoff kennt über die Jahre alle Hunde im Umkreis. Auch ein Fuchs oder ein anderes Wildtier scheidet seiner Meinung nach aus. Fest steht: So plötzlich wie der Vierbeiner aufgetaucht war, so schnell war er wieder weg — das Tier verschwand im Unterholz.

"Das kann absolut sein"

Von der Beobachtung von Wölfen hört man in den letzten Monaten nicht mehr nur aus dem Fichtelgebirge, dem Bayerischen Wald oder dem Allgäu. Kürzlich will ein Autofahrer in der Bayreuther Gegend eines der Wildtiere gesehen haben. "Das kann absolut sein", sagt ein Sprecher des Landesbunds für Vogelschutz. "Bayern wird zum Wolfsland."

Erst im Frühjahr war bei Neuhaus/Pegnitz im Nürnberger Land ein Wolf in ein Gehege eingedrungen und hatte ein Schaf gerissen. Und vor wenigen Tagen erblickten Jäger im Wald nordöstlich von Forchheim einen der Beutegreifer. Für Heinrich Kattenbeck, langjähriger Kreisvorsitzender des Bund Naturschutz, ist die Beobachtung eine freudige Überraschung. Käme der Wolf zurück, wäre das eine gute Nachricht, betont er. Zugleich zerstreut er jegliche Ängste: "Der Wolf ist eines der scheuesten Tiere. Eine Gefahr geht von ihm nicht aus."

Immer mehr Wölfe siedeln sich augenscheinlich auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr im Kreis Neustadt/Waldnaab an. Sieben, acht Jahre lang, meint Ulrich Maushake, Forstdirektor im Bundesforstamt Grafenwöhr, wurde auf dem Manövergelände keines der Tiere gesehen. Doch seit September häufen sich die Beobachtungen. Zunächst nahm eine Wildtierkamera einen Wolf auf dem Gelände auf. Seitdem gab es sechs weitere Sichtungen. "Es müssen mindestens zwei verschiedene Wölfe sein", sagt Maushake.

Sehr naturbelassen

Dass sich die Rudeltiere dort wohlfühlen, hat mehrere Gründe. Zum einen liegt das daran, dass der Lebensraum sehr naturbelassen ist: "Bis auf die militärische Nutzung, aber die ist für die Tiere nachvollziehbar." Nachvollziehbar sei für die Tiere alles, was für sie klar erkennbar ist. Wenn ein Panzer auf die Schießbahn rolle, dann wüssten sie, dass die Soldaten nicht auf sie, sondern auf Ziele schießen.

In einem normalen Wald dagegen sei den Tieren nicht klar, ob sie nun einem Forstarbeiter begegnen, der mit der Motorsäge einen Baum fällt, oder ob ein Spaziergänger auf dem Weg bleibt. "Die Kalkulierbarkeit der Gefahr durch den Menschen auf einem Übungsplatz ist für die Tiere eindeutig", so Maushake.

Der Truppenübungsplatz Grafenwöhr ist das größte europäische Nato-Manöverareal. Das Gelände ist sehr wenig erschlossen — laut Maushake ein weiterer Grund, warum sich der Wolf dort so wohl fühlt. Außerdem sei das Nahrungsangebot wegen des Wildreichtums sehr groß.

Für den Fachmann Ulrich Maushake ist die Wiederansiedlung ein großer Gewinn. "Alle Tiere, die ausgerottet waren und wiederkommen, sind ein Erfolg für den Naturschutz." Dennoch seien mit der Rückkehr auch Herausforderungen verbunden, "das ist keine Frage".

Beeinflusst werde zum Beispiel die Jagd. "Für uns ist es kein Problem, wenn der Wolf die Tiere frisst. Dann gibt es etwas weniger zu schießen." Doch das Verhalten des Wildes werde sich ändern, zumindest in den ersten paar Jahren. Beim Bundesforstamt begrüßt man die Rückkehr des Wolfes mehr, als dass man sie fürchtet. Allerdings: Wie scheu die Tiere sind, werde sich zeigen. Maushake: "Wenn man sie über Generationen nicht bejagt, dann verlieren sie zunehmend ihre Scheu".

Ob Wölfe auch schon den Landkreis Amberg-Sulzbach durchstreifen? Christine Hollederer, Sprecherin des Landratsamtes, äußert sich diplomatisch zur Rückkehr der Raubtiere: "Wölfe sind schon immer Bestandteil der europäischen Fauna. Eine Zuwanderung ist ein natürlicher dynamischer Prozess, der aktiv nicht zu beeinflussen ist. Im Übrigen ist der Wolf eine streng geschützte Art." Doch prinzipiell sei der Wolf vorsichtig und weiche dem Menschen aus. "Seit es wieder Wölfe in Deutschland gibt, hat es keinen Angriff auf Menschen durch Wölfe gegeben."

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