Karpfen-Sushi lockt den roten Kormoran

30.8.2010, 08:58 Uhr
Karpfen-Sushi lockt den roten Kormoran

© Horst Linke

Der Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim hält sich brav an das ungeschriebene Gesetz: Auftakt der Aischgründer „Karpfenschmeckerwochen“ ist exakt am Mittwoch, 1. September (Landgasthof Zum Stern, Markt Erlbach-Linden, 16 Uhr). Andere können es nicht erwarten: Regelrechte Geheimtipps sind die Saisonfrevler, Wirte, die den „Cyprinus carpio“ (lat.) schon in der zweiten Augusthälfte ganz frech auf die Karte setzen. Die rund 200 Fischküchen im Aischgrund können inzwischen viel mehr als die Fische einfach nur in viel siedendem Fett verschmurgeln und mit einem pampigen Kartoffelsalat kredenzen. Die Küchenchefs in der deutschlandweit gerühmten Karpfengegend haben längst fantasievolle Rezepte kreiert — aber sie müssen bei den zumeist heimischen Gästen manchmal bäuerliche Zurückhaltung zerstreuen.

So traut sich Bernd Meyer vom Landgasthof „Schwarzer Adler“ in Ulsenheim noch nicht, sein Karpfen-Sushi auf die Speisekarte zu setzen — man muss die leckere Zubereitung mit japanischem Wasabi-Meerrettich und Reis vorher bestellen.

Karpfen, Curry, Kokos

„Sehr frisch, das Filet hat keine Stunde auf dem Buckel“, schwärmt Meyer. Zur Nachahmung empfohlen: Das Karpfenfilet mit einer Cocos-Sauce, bei der thailändische Curry-Paste mit Zitronengrasgeschmack wunderbar mit dem kräftigen Karpfenfleisch harmoniert.

Mittelfranken hat fast 7.000 Hektar Teichflächen zu bieten. Im Herbst werden die Karpfen aus den Weihern abgefischt — ein spektakuläres Erlebnis für die ganze Familie. Weil die Teichwirte sich oft recht kurzfristig zur Fischernte entschließen, ist etwas Spürsinn gefragt. Wer nimmt den Telefonhörer in die Hand und ruft ein paar Frankenfischer an (siehe Internetadressen)?

Und das ist längst kein Geheimtipp mehr: Vom 4. bis 6. September veranstaltet Fisch-Jakob in Mühlhausen (Kreis Erlangen-Höchstadt) sein Hoffest, dass sich einige Gourmets schon im Terminkalender notiert haben. Die Fachzeitschrift Feinschmecker hat die Adresse als eines der besten Fischgeschäfte Deutschlands ausgezeichnet. Beim Blick auf die Karte läuft einem das Wasser im Mund zusammen: „Karpfenschnetzel“ ist klein geschnittenes Filet, das einfühlsam frittiert wird. Besser noch lesen sich „Karpfenchips“. Das sind die quasi ausgelösten Filet-Lamellen des Fisches, die nur Augenblicke mit heißem Fett Bekanntschaft machen und zum Salat serviert werden. Wem das zu kleinteilig ist, der kann sich auch der Karpfenbratwurst zuwenden.

Zwischenstopp im Karpfenmuseum

Und wie findet man die vielen geschmacksreichen Adressen? Zum Beispiel indem man sich in Rothenburg aufs Rad schwingt und 140 Kilometer durch den Aischgrund, vorbei an zahllosen Karpfenteichen, idyllischen Wirtshäusern und Landbrauereien bis Bamberg auf den Karpfenradweg macht. Eine andere Variante verläuft von Dinkelsbühl über Windsbach bis in den Raum Erlangen. Weniger anstrengend ist eine erholsame Rundfahrt durch die Karpfengegend mit einer Pferdekutsche (Familie Hock, Höchstadt) oder mit einem Nostalgie-Omnibus (Werner Vogel, Höchstadt). Dabei ist eine Zwischenstation im Karpfenmuseum im Alten Schloss in Neustadt empfehlenswert.

Und dann kann man aus den fischigen Exkursionen auch noch einen wahren Sport machen: Der Verein Karpfenland Aischgrund gibt den Karpfenpass aus, mit dem man durch eine möglichst große Zahl vertilgter Fische oder besuchter Karpfenlokale Punkte sammeln kann, um dann am Ende der Saison einen Preis oder einen Pokal einzuheimsen.

Und diese Karpfen-Disziplin hat auch schon große Athleten hervorgebracht. Der Erlangen-Höchstadter Landrat Eberhard Irlinger brachte es in der Saison 2005 auf ehrlich verbriefte 72 konsumierte Tiere, die er in 40 verschiedenen Gasthäusern verspeist hat. Aber Markus Seeberger aus Buch bei Weisendorf aß damals den Landkreischef in Grund und Boden, indem er in der Saison 115 Karpfen verzehrte. Irlinger hatte den Ruf des „ewigen Zweiten“ weg und zog sich offiziell aus dem Leistungssport zurück. Doch dem SPD-Politiker blieb der immerwährende Ehrentitel: „Roter Kormoran.“ Und den hat er auch durch den Austritt aus der Genossen-Fraktion nicht verloren.

www.karpfenland-aischgrund.eu, www.karpfenschmeckerwochen.de www.frankenurlaub.de, www.karpfenmuseum.de, www.fischjakob.de