Liquid Ecstasy — der unberechenbare Stoff

10.12.2015, 20:05 Uhr
Liquid Ecstasy — der unberechenbare Stoff

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Niklas B. kam früh mit Drogen in Berührung: Mit elf oder zwölf Jahren, so erzählte der heute 24-Jährige vor Gericht, erlebte er seinen ersten Alkoholrausch. Später rauchte er Haschisch und stieg schließlich auf harte Drogen um: Crystal Speed, Benzodiazepine, Gammabutyrolacton (GBL), besser bekannt als Liquid Ecstasy oder K.o.-Tropfen.

Das Rauschgift beeinträchtigte sein Leben massiv: Nach dem mühsam bestandenen Realschulabschluss brach er eine Berufsausbildung und den Bundesfreiwilligendienst ab.

GBL hatte Niklas B. nach eigenen Angaben zuletzt immer dabei. In seinem Ausbildungsbetrieb verschwand er alle zwei Stunden mit Fläschchen und Spritze auf der Toilette. „Es hat auf mich euphorisierend und angstlösend gewirkt“, sagt B. vor Gericht. Bei einer Überdosis sei er allenfalls in einen mehrstündigen Schlaf verfallen.

Wie gefährlich GBL ist, wurde ihm vor knapp einem Jahr klar: In der Nacht vom 19. auf den 20. Dezember 2014 traf er in der Bamberger Innenstadt mehrere Bekannte. Nach der Sperrstunde lud der 27 Jahre alte Felix G. ihn und etwa zehn andere Leute in seine Wohnung ein.

Niklas B. stellte bei der Party eine 0,5-Liter-Flasche unverdünntes GBL auf den Tisch. Felix G. und ein weiterer 24-jähriger Gast tranken davon. Beide gingen in G.s Schlafzimmer, wurden bewusstlos. Zwei Männer, die mit ihnen im Zimmer waren, wollen die zunehmenden Atemprobleme der Schlafenden nicht bemerkt haben. Erst Felix G.s Mitbewohner, der von der Nachtschicht kam, holte den Notarzt. Der 24-jährige Vergiftete wurde gerettet, G. dagegen starb an Heiligabend im Bamberger Klinikum.

Die Staatsanwaltschaft warf Niklas B. Mord und versuchten Mord vor: Er habe den Tod der Männer billigend in Kauf genommen, um Ärger mit der Polizei zu vermeiden.

Zeugen wussten nichts mehr

Dieser Verdacht bestätigte sich nach Meinung der Richter im Prozess aber nicht: Zahlreiche Zeugen konnten sich angeblich an nichts mehr erinnern. Keiner von ihnen bestätigte, dass der Angeklagte sie auf der Party davon abhielt, den Notarzt zu holen.

Andererseits sagten die Männer, die mit den Bewusstlosen im Zimmer waren, dass sie B. wegschickten, als er nach dem Rechten sehen wollte. Einer von ihnen, ein Krankenpfleger in Ausbildung, gab sich laut Zeugen als Rettungssanitäter aus. Es ist also möglich, dass der Angeklagte die Vergifteten in guten Händen glaubte.

Und so verurteilte das Schwurgericht B. lediglich wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung zu zweieinhalb Jahren Gefängnis. In die Strafe ist eine stationäre Drogentherapie integriert. Ein Psychiater hatte den Angeklagten als drogenabhängig und vermindert schuldfähig eingestuft.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Staatsanwalt Markus Reznik und Rechtsanwalt Thomas Gärtner, der die Eltern des verstorbenen Felix G. als Nebenkläger vertrat, hielten in ihren Plädoyers den Mordvorwurf aufrecht und forderten siebeneinhalb Jahre Gefängnis. Verteidiger Jochen Kaller beantragte zwei Jahre.

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