Mehr Fragen als Antworten: Der Fall Gustl Mollath

13.11.2012, 19:46 Uhr

Am Dienstagnachmittag kann die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) nicht mehr anders. Sie will oder muss sich zum Fall Mollath äußern. Sofort, nicht erst am Mittwoch im Landtag. Sie muss etwas sagen zu Gustl Mollath, der seit fast sieben Jahren zwangsweise in der Psychiatrie untergebracht ist. Und zwar zu Unrecht, wie er selbst glaubt und in einer sehr detaillierten Kampagne im Internet beteuert. Dis Justiz sieht das anders.

Worum geht es? Um einen Mann, der einst mit einer Mitarbeiterin der HypoVereinsbank (HVB) verheiratet war. Und der – so schildert er selbst es – irgendwann herausfand, dass es nicht bei allen Bankgeschäften seiner Frau mit rechten Dingen zuging. Von Schwarzgeld ist die Rede, von Kurierfahrten der Frau in die Schweiz.

Wie genau die Sache ihren Lauf nahm, lässt sich aus heutiger Sicht nur schwer nachvollziehen. Fakt aber ist: Irgendwann stand Mollath vor Gericht – unter anderem, weil er seine Frau verprügelt und bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt haben soll. Und in diesem Verfahren erhob er die Vorwürfe gegen seine Frau und weitere Bank-Mitarbeiter. Er übergab dem Gericht einen Schnellhefter mit angeblichen Beweisen. Die Staatsanwaltschaft nahm aber keine Ermittlungen auf – und bekommt dafür heute, Jahre später, die Rückendeckung der Ministerin.

Für einen Anfangsverdacht habe Mollaths Material nicht ausgereicht - und ohne einen solchen Verdacht dürfe die Staatsanwaltschaft nicht ermitteln, sagt Merk bei ihrer Pressekonferenz im Justizpalast.

„Wahnhaften psychische Störung“

Das Gericht ordnete damals ein psychiatrisches Gutachten über Mollath an. Der damalige Gutachter kam zu der Einschätzung, dass die Handlungen des Angeklagten von einer „wahnhaften psychischen Störung“ geprägt gewesen seien. Mollath habe „in mehreren Bereichen ein paranoides Gedankensystem entwickelt“. Er wurde deshalb zwangsweise in die Psychiatrie eingewiesen.

Jetzt plötzlich, Jahre danach, bringen interne Unterlagen der HVB die bayerische Justiz in Erklärungsnot. Ein Revisionsbericht der Bank aus dem Jahr 2003, dessen Inhalt erst jetzt publik wird, bestätigt, dass Mollath Vorwürfe gegen Mitarbeiter der Bank zutrafen. „Alle nachprüfbaren Behauptungen haben sich als zutreffend herausgestellt“, heißt es in dem Papier, aus dem „Süddeutsche Zeitung“, „Nürnberger Nachrichten“ sowie die ARD-Sendung „Report Mainz“ nun zitieren.

Ist das die Wende im Fall Mollath? Ist damit belegt, dass die Gutachter irrten und dass er eben nicht an einem „paranoiden Gedankensystem“ leidet? Nein, sagt Justizministerin Merk. Denn Mollath sei einst in die Psychiatrie eingewiesen worden, „weil er krank und für die Allgemeinheit gefährlich war“. Die Frage illegaler Finanztransaktionen habe für die Beurteilung keine entscheidende Rolle gespielt. Zudem hätten mehrere Gutachter und Gerichte diese Einweisung bestätigt. Alle Verschwörungstheorien und alle Opferstilisierungen hätten keine reale Substanz, betont Merk.

Trotzdem bleiben Fragen. Beispielsweise die, warum die HVB ihren internen Bericht erst 2011 an die Staatsanwaltschaft gab. Dazu die HVB: „Die Revisionsprüfung hat keine ausreichenden Erkenntnisse für strafrechtlich relevantes Verhalten von Mitarbeitern oder Kunden ergeben, die eine Strafanzeige als angemessen erscheinen ließen.“ Merk nennt das Verhalten der HVB rückblickend „mehr als ärgerlich“. Und es bleibt vor allem die Frage, ob sich Mollath nun, angesichts des jetzt bekanntgewordenen HVB-Berichts, Hoffnungen machen kann.

Merk sagt, dass zuletzt das zuständige Oberlandesgericht eine Beschwerde Mollaths verworfen habe – weil es für eine Fehleinweisung nicht den geringsten Anhaltspunkt gebe. Ein neues psychiatrisches Gutachten gibt es nicht. Merk betont lediglich: „Es wird jedes Jahr überprüft, ob die Unterbringung rechtens ist.“

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