Nach Familiendrama in Franken: Oft ist nicht Hass das Motiv

27.6.2018, 11:14 Uhr
Polizeiaufgebot und gesperrte Straßen: Bei einem Familiendrama sind am Dienstag in Gunzenhausen eine Frau und ihre drei Kinder getötet worden. Verdächtig ist der 31-jährige Familienvater.

© Matthias Merz Polizeiaufgebot und gesperrte Straßen: Bei einem Familiendrama sind am Dienstag in Gunzenhausen eine Frau und ihre drei Kinder getötet worden. Verdächtig ist der 31-jährige Familienvater.

Am Dienstag spielte sich in Gunzenhausen eine Familientragödie ab: Ersten Erkenntnissen nach tötete ein 31-jähriger Familienvater seine drei Kinder und seine Frau und versuchte, sich nach der Tat selbst das Leben zu nehmen. Professor Thomas Hillemacher, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum Nürnberg, erklärt im Interview, warum die Menschen mit Suizidabsicht manchmal  ihre Familie angreifen - und wo man sich rechtzeitig Hilfe suchen kann. 

Herr Hillemacher, wie kommt es dazu, dass Menschen keinen anderen Ausweg mehr sehen, als sich selbst oder sogar ihre ganze Familie zu töten?

Thomas Hillemacher: Das kann völlig unterschiedliche Gründe haben. Wichtig ist aber vor allem: Meist gibt es auch dort eine Lösung, wo der Betroffene selbst schon längst keine Lösung mehr sieht. Von außen betrachtet sind die Probleme oft gar nicht so gravierend. Manchmal passieren Taten zwar auch spontan, meist staut es sich aber lange an, bis irgendetwas schließlich das Fass zum Überlaufen bringt.

Nach Familiendrama in Franken: Oft ist nicht Hass das Motiv

© Roland Fengler

Wie kann man das rechtzeitig erkennen und verhindern?

Hillemacher: Wenn ein Betroffener zum Beispiel Suizidgedanken hat und sich etwas antun möchte, sollte er sich professionelle Hilfe suchen, egal ob bei der Telefonseelsorge, dem Krisendienst oder einem niedergelassenen Psychiater. Dort wird er dann an die geeignete Stelle weitervermittelt.

Was können Angehörige tun, wenn sie merken, dass sich jemand in einer psychischen Notlage befindet?

Hillemacher: Sie sollten auf den Betroffenen einwirken, sich professionelle Hilfe zu suchen. Suizidgedanken zum Beispiel sind meist sehr gut therapierbar.

Wenn jemand schon an furchtbare Taten denkt: Können Sie denjenigen dann einfach wieder nach dem Gespräch nach Hause gehen lassen?

Hillemacher: Wenn jemand von sich aus zu uns kommt, wünscht er sich ja Hilfe. Dann sind die Chancen sehr gut, dass man helfen kann. Dann ist es auch extrem unwahrscheinlich, dass gleich danach etwas Schlimmes passiert. Wir brechen nur die Schweigepflicht, wenn akute Gefahr besteht. Die Schweigepflicht ist ja ein sehr hohes Gut, gerade in der Psychiatrie.

Warum kommt es immer wieder vor, dass Menschen nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Partner und Kinder töten? Was treibt die Betroffenen dazu?

Hillemacher: Oft geschieht das gar nicht aus Hass auf die Familie oder weil man ihr etwas Böses will, sondern ganz im Gegenteil, aus der krankhaften Vorstellung, dass man sie vor Leid bewahren möchte. Die Betroffenen wollen sich töten und glauben, dass die Angehörigen darunter leiden werden. Das möchten sie ihnen ersparen. Man muss aber auch sagen, dass solche Taten sehr selten sind.

Anmerkung der Redaktion: Wenn es Ihnen nicht gut geht oder Sie daran denken, sich das Leben zu nehmen, versuchen Sie, mit anderen Menschen darüber zu sprechen. Das können Freunde oder Verwandte sein. Es gibt aber auch eine Vielzahl von Hilfsangeboten, bei denen Sie sich melden können. Wenn Sie sich selbst betroffen fühlen, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge. Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie 24 Stunden am Tag Hilfe und Beratung.

Keine Kommentare