Nachverdichtung als letztes Mittel gegen Wohnungsnot

2.1.2018, 12:59 Uhr
90 neue Wohnungen will die Gewobau auf ihren Parkplätzen an der Odenwaldallee in Büchenbach bauen. Auch hier regt sich Widerstand.

© Harald Sippel 90 neue Wohnungen will die Gewobau auf ihren Parkplätzen an der Odenwaldallee in Büchenbach bauen. Auch hier regt sich Widerstand.

Wer denkt, dass es im dünn besiedelten Westmittelfranken noch viel flaches Land gibt, hat sich getäuscht. Zumindest im Fall von Dinkelsbühl. "Wir wissen teilweise nicht mehr, wo wir noch Flächen ausweisen sollen", bekennt Oberbürgermeister Christoph Hammer.

Ein besonderer Dorn im Auge sind ihm die vielen ökologischen Ausgleichsflächen, die Bauherren aus den Ballungsräumen im ländlichen Raum suchen, weil sie dort noch deutlich billiger sind. Vor allem landwirtschaftliche Flächen werden renaturiert und gehen für die Nutzung verloren.

Nachverdichtung ist das Gebot der Stunde für die 12.000-Einwohner-Stadt im Kreis Ansbach. "Wir müssen nicht nur nachverdichten, weil es ökologisch sinnvoll ist, sondern vor allem, weil wir in unseren Entwicklungsmöglichkeiten eingeschränkt sind", meint der Oberbürgermeister.

Bürger wehren sich

Hammer macht für den Mangel an Fläche den verstärkten Zuzug in die Städte verantwortlich, der auch schon Kommunen in der Größenordnung von Dinkelsbühl betrifft. Nur negativ will der Politiker das nicht sehen: "Wenn wir 30.000 Einwohner hätten, würden wir nicht darüber diskutieren, ob das Krankenhaus geschlossen wird. Dann hätten wir auch eine Realschule und eine FH- Außenstelle."

Doch die Nachverdichtung gestaltet sich schwierig. So plant die Stadt derzeit in einem von Einfamilienhäusern und Doppelhaushälften geprägten Stadtteil auf einem unbebauten Grundstück 24 sozial geförderte Wohnungen in einem neuen, zweistöckigen Haus unterzubringen.

"Das wäre weiterhin locker bebaut, es wäre viel besser als draußen auf der grünen Wiese", meint Oberbürgermeister Hammer. Doch der Protest der Nachbarn ist gewaltig, eine Bürgerinitiative hat sich gegründet, ein Bürgerentscheid ist wahrscheinlich. "In der Theorie ist man meistens dafür. Aber in der eigenen Betroffenheit werden viele zu schlimmen Egoisten", sagt Hammer und fügt hinzu: "Wir können es uns in Zukunft nicht mehr leisten, dass jeder sein freistehendes Haus mit 1000 Quadratmetern Grund hat."

Dieser Meinung ist auch der Bund Naturschutz in Bayern (BN). "Jedes Jahr steigert sich die Wohnfläche pro Person in Bayern um einen halben Quadratmeter. Mit diesem Luxusflächenverbrauch müssen wir dringend Schluss machen", fordert Tom Konopka, BN-Regionalreferent für Mittel- und Oberfranken und bayernweit für das Thema Flächenschutz zuständig. Er bevorzugt klar die Nachverdichtung gegenüber einem weiteren Flächenverbrauch an den Ortsrändern. Grünflächen und Parkanlagen sollten nicht zur Disposition gestellt werden, sie seien dringend notwendig, um in den Städten ein erträgliches Klima zu bewahren.

"Wir wollen nicht voll raus in die Fläche. Baulücken zu schließen hat Vorrang", betont Zirndorfs Bürgermeister Thomas Zwingel. Am Rand der Stadt müsse aber bald sozialer Wohnungsbau in Angriff genommen werden. Dafür sei es jedoch schwierig, Grundstücke zu finden. "Gegenwärtig können Landwirte eigentlich gar kein Interesse haben, uns Grundstücke zu verkaufen", sagt Zwingel. Er fordert die Bundes- und Landespolitik dazu auf, Anreize zur Baulandakquise zu schaffen, zum Beispiel über steuerliche Vorteile für verkaufende Landwirte.

Keine Einfamilienhäuser mehr

Knapp wird es mit der Fläche auch in der Stadt Erlangen. Dort hat man vor Kurzem sogar eine Abstandsflächensatzung verabschiedet, die es erlaubt, dass man nicht mehr eine halbe Haushöhe Abstand halten muss, sondern nur noch 40 Prozent der Höhe.

"Das haben wir aber nicht gemacht, um mehr Fläche zu bebauen, sondern, um Gebäude auf den Grundstücken anders platzieren zu können. Wir wünschen uns, dass die Häuser näher an der Straße stehen und dafür hinter dem Gebäude größere Grünflächen entstehen", betont Erlangens Baureferent Josef Weber. Außerdem könnten durch die Satzung Nachbarschaftsstreitigkeiten entschärft werden.

Überall in der Stadt sei Nachverdichtung angesagt. "Bei Neubauten gibt es praktisch keine freistehenden Einfamilienhäuser mehr, nur noch Reihenhäuser und Geschosswohnungsbau", erläutert Weber. Im Hochhausviertel an der Isarstraße sollen ein großes und ein kleineres Hochhaus hinzukommen, an der Hans-Geiger-Straße mehr als 700 neue Wohnungen entstehen.

"Wir wollen die Qualität der Freiflächen steigern und ebenerdiges Parken durch Tiefgaragen und, bei Bestandsimmobilien, durch Parkhäuser ersetzen. Dadurch wird letztendlich nicht viel mehr Fläche gebraucht", betont Weber.

Doch auch in Erlangen regt sich Widerstand. In Büchenbach sollen neben bestehenden Wohnblocks 90 weitere Wohnungen entstehen. Die Bewohner des ohnehin etwas abgehängten Viertels befürchten, dass die sozialen Probleme weiter zunehmen.

"Müssen nicht größer werden"

Die Herausforderung der Nachverdichtung, dem sich nun zunehmend die Kommunen stellen müssen, hat der Markt Feucht im Landkreis Nürnberger Land schon seit Jahrzehnten. Der Ort ist von Bannwald komplett umrundet und hat keinerlei Möglichkeiten, sich weiter auszubreiten.

"Wir leben damit von Anfang relativ gut. Wir müssen ja nicht unbedingt größer werden", meint Bürgermeister Konrad Rupprecht. Ein ehemaliges Firmengelände ermöglichte ihm trotzdem einen neuen Ortsteil mit 1400 Einwohnern. "Parkside" nennt sich das Wohngebiet, das anfangs extrem umstritten war. Aus Lärmschutz-Gründen wird es nämlich von mächtigen Gebäuden umschlossen, die eine 18 Meter hohe Mauer bilden.

Derzeit wird der Flächennutzungsplan der Kommune aktualisiert. Etwa 20 unbebaute Grundstücke stehen noch zur Diskussion. "Es gibt auch noch ein paar Häuser mit großen Grundstücken, da sitzt noch die Oma drin. Irgendwann muss sie ins Pflegeheim, dann entsteht auf dem Grundstück wohl ein Sechs- oder Acht-Familien-Haus mit Tiefgarage. Das ist heutzutage die natürliche Fruchtfolge", erklärt Rupprecht. "Das geht eine gewisse Zeit lang - dann wird auch das zu eng", sagt der Feuchter Bürgermeister.

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