Archäologie hatte Neumarkt lange vergessen

14.10.2010, 22:59 Uhr
Archäologie hatte Neumarkt lange vergessen

© Biersack

Doch spätestens, seit der Bereich Türmergasse von Lorés Firma Adilo untersucht wurde, hat sich auch im Bewusstsein der Neumarkter etwas verändert. Die Fundstücke füllten 110 Kisten in der Größe von 40 auf 60 Zentimeter, und Museumsleiterin Petra Henseler hat nun das Problem, die Zeugnisse früher Jura-Städter sachgerecht zu lagern. Damit mal ein Doktorand sich darüber hermachen kann.

Säuerliche Mienen

Loré hat Verständnis dafür, dass private und kommunale Bauherren säuerlich die Miene verziehen, wenn sich die Archäologen erstmal auf einem geräumten Altstadtgrundstück breit machen, bevor Bagger die Hinterlassenschaften der Vergangenheit unwiederbringlich vernichten. „Ich weiß, das kostet Geld, das kostet Zeit“, sagt der Parsberger Adilo-Chef, „aber so ist nun mal die Gesetzeslage, und ich hab’ die Relikte ja nicht in den Erdboden gesteckt.“

In der Türmergasse habe sich die monatelange Arbeit seines Teams gelohnt, davon ist Friedlich Loré überzeugt. „Wir haben nachweisen können, dass dieser Bereich der Altstadt schon im 12. und 13. Jahrhundert ziemlich geschlossen, vermutlich mit Holzbauten, besiedelt war. Die Funde von hochwertiger Kachelofen-Keramik lassen den Schluss zu, dass dort in der Zeit der Renaissance ein exzellenter Hafner am Werk war, der wohlhabende Kundschaft gehabt haben muss.“

In Zeiten, aus denen Stadtarchivar Frank Präger nur wenige schriftliche Zeugnisse vorliegen, verraten Funde dieser Art, dass Neumarkt an der Schnittstelle zweier alter und bedeutender Handelsstraßen (als die Bundesstraßen 8 und 299 noch quicklebendig waren) wirtschaftlich wohl florierte. In den letzten Tagen war die Firma Adilo, wie berichtet, damit beschäftigt, das Areal auszuwerten, das nach dem Abriss des Hauses Viehmarkt 10 vorübergehend frei geworden war. Geleitet wurden die Arbeiten vom Grabungstechniker Armin Endres, einem Neumarkter.

Loré war bis einschließlich 8. Oktober mit einem Team von rund 30 Mitarbeitern bei Bad Staffelstein tätig. Dort führt die ICE-Trasse von Bamberg nach Erfurt über ein Gelände, unter dem sich ein Dorf aus dem Neolithikum verbirgt, eine Siedlung, die etwa 5700 vor Christus gegründet und 250 Jahre später freiwillig verlassen wurde.

Dieses Volk, das nach seinen gebrannten Hinterlassenschaften als Linienband-Keramiker bezeichnet wird, brachte erstmals Ackerbau und Viehzucht in unsere Gegend. Auf leichten und fruchtbaren Lössboden-Inseln ließen sie sich nieder. Die Verarbeitung von Stein zu Werkzeug beherrschten sie ausgezeichnet.

Die Ausgrabungen bewiesen, erzählt Friedrich Loré, dass der schonungslose Umgang mit der Natur keine Erfindung unserer Zeit ist. Die Menschen dieser Steinzeitkultur hätten mit ihren bescheidenen Mitteln ganz schön abgehaust. Die tragenden Pfosten der frühesten, 25 bis 40 Meter langen Häuser lieferten kräftige Eichen, später wurden die Stämme schmächtiger, die Häuser entsprechend kleiner. Irgendwann war vermutlich der Boden ausgelaugt, der umgebende Wald abgeholzt und die Menschen gaben das Dorf auf. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Gewalt von außen dazu geführt haben könnte.

Die Karriere des Parsberger Archäologen als selbstständiger Unternehmer begann übrigens mit einer anderen ICE-Trasse, der von Nürnberg nach München.

Zu Beginn seines Berufslebens war Loré beim Bayerischen Landesamt für Denkmalschutz beschäftigt und bekam so genannte Kettenverträge nach Auftragslage. Dann zog sich das Landesamt zu Anfang der 90er Jahre aus finanziellen und personellen Gründen aus der aktiven Buddelei zurück, und die Archäologen mit Zeitverträgen mussten sehen, wo sie blieben.

Friedrich Loré ging nach Sachsen, wo sich, kurz nach der Wende, das Landesamt neu aufstellte. Dort konnte er Erfahrungen auf riesigen Ausgrabungsflächen sammeln. Die qualifizierten ihn dann für die Untersuchung der Bahn-Trasse über Ingolstadt.

Das war der Einstieg in die Selbstständigkeit. Heute beschäftigt Adilo 24 Mitarbeiter, fünf davon Archäologen und sechs Grabungstechniker. Sitz der Firma ist in Parsberg, am Lindlberg 7.