Auch manch Neumarkter ging plündern

22.4.2015, 10:53 Uhr
Auch manch Neumarkter ging plündern

© F.: Archiv

Am 23. April geben die Amerikaner den ausländischen Gefangenen und Zwangsarbeitern die zertrümmerte Stadt drei Tage zur Plünderung frei. Was nicht niet- und nagelfest ist, wird mitgenommen. Wer sich wehrt, erhält eine Tracht Prügel.

Schon wittern auch einige Deutsche Morgenluft und schließen sich den Plünderern an. „lch habe gestaunt“, erzählt eine Neumarkterin, „mit welcher Frechheit Familien noch Jahre später die Kleider getragen haben, die aus unseren Schränken stammten."

Am 24. April kehren viele der geflüchteten Neumarkter zögernd in ihre Stadt zurück. Die meisten Bewohner der Innenstadt finden nur noch Trümmer oder völlig ausgeplünderte Wohnungen vor, in denen das Chaos herrscht, bilanziert Rainer Krüninger, stellvertretender NN-Chefredakteur, in seinen Berichten über die ersten Tage nach der Befreiung Neumarkts.

Einige Neumarkter, die bei den Amerikanern auf einer „Liste“ stehen, werden verhaftet und sofort in ein Lager gebracht. Der amerikanische Kommandant richtet sein Büro im Finanzamt ein, wo kurz vorher der „Kampfkommandant“ der SS seinen Gefechtsstand hatte.

Vor dem Gebäude findet, nachdem man die Trümmer weggeräumt hat, eine Siegesparade statt. Rund 1000 Soldaten sind auf beiden Seiten gefallen in den Kämpfen in diesen Tagen.

Auch manch Neumarkter ging plündern

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Die SS-Division Götz von Berlichingen befindet sich inzwischen auf dem Rückzug nach Süden. In Pyrbaum werden am 22. April noch zwei US-Panzer abgeschossen. Im Wald bei Rittershof kommt es noch zu einigen Schießereien. 17 deutsche Soldaten fallen bei Gefechten nahe Lauterhofen.

Waldkämpfe bei Deining

In einem sechsstündigen Nachtmarsch wird ein zusammengewürfeltes Bataillon unter einem jungen Oberleutnant Sahleder von Thalmässing über Freystadt nach Tauernfeld herangeführt. Teile dieser Einheit werden in Waldkämpfen zwischen Deining und Lengenbach aufgerieben. Postbauer und Pyrbaum werden im Verlauf der Kämpfe von Jagdbombern angegriffen, und auch in Freystadt, Trautmannshofen, Heng und Tyrolsberg gibt es schwere Schäden durch Jagdbomber. In Berg rettet Hauptlehrer Schidlo den Ort vor der Zerstörung.

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Pavelsbach wird teilweise zerstört, der Greißelbacher Bahnhof zusammengeschossen. Sogar im Kalkwerk Behringer in Sengenthal kommt es zu Gefechten zwischen US-Truppen und deutschen Soldaten.

Am 23. April muss das 82. Armeekorps, zu dem die Götz von Berlichingen und zwei Volks-Grenadier-Divisionen gehören, bereits US-Angriffe Richtung Regensburg auffangen. Bei Parsberg wird am gleichen Tag ein deutscher Vorstoß mit Sturmgeschützen unternommen, aber dann artet der ganze Kampf in eine „hinhaltende Flucht” der Deutschen aus. Die Amerikaner bezeichnen diese Aktionen ab 23. April nur noch als „überholende Verfolgung“. Ein Oberst berichtet später: „Unsere Hauptsorge war, brauchbare Übergänge für Panzer und Fahrzeuge zu finden.“

Der Kampf um Neumarkt ist das letzte schwere und verlustreiche Gefecht für die US-Truppen in Ostbayern. Fünf Tage nach der Einnahme von Neumarkt ist fast die gesamte Oberpfalz besetzt.

Nur Voggenthal nicht. Das Dorf bleibt noch einige Tage „feindfrei“. Die Amerikaner scheinen den kleinen Ort, in den viele Neumarkter geflüchtet sind, übersehen zu haben. Als der Gastwirt von Voggenthal auf der Straße oberhalb des Ortes nach dem Rechten sehen will, wird er von den Amerikanern aufgegriffen. Die nehmen ihm die Geschichte von dem unentdeckten Dorf nicht ab.

Erst die Bitten eines jungen Mädchens und der Hinweis, dass er schließlich Vater von sechs Kindern sei, überzeugen die US-Soldaten, dass der Mann kein Partisan oder Saboteur ist. lmmerhin wissen die Amerikaner jetzt, dass es Voggenthal gibt. Es wird als eine der letzten Ortschaften in der Oberpfalz auch noch eingenommen. So endet die große Tragödie 1945 im Landkreis Neumarkt mit einer kleinen Posse.

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