Aus Kloake wurde Garten

22.4.2018, 10:13 Uhr
Aus Kloake wurde Garten

© Foto: André De Geare

"Ich war einfach nur platt, aber auch glücklich und auch ein bisschen stolz", erinnert sich der damalige Neumarkter Oberbürgermeister Alois Karl an den 24. April 1998. Da setzte er sich um 6 Uhr morgens ganz alleine, nur in Begleitung einer Flasche Sekt auf die Terrasse des See-Cafes, mitten im neu geschaffenen Landesgartenschaupark und ließ den Blick schweifen und nippte an einem Gläschen.

Aus Kloake wurde Garten

© Foto: Fritz Etzold

Recht viel mehr gab es aber nicht, standen doch die Eröffnungsfeierlichkeiten mit dem Bayerischen Staatsminister Hans Zehetmair kurz darauf an. "Da habe ich doch einen klaren Kopf gebraucht".

Klaren Kopf brauchten die Verantwortlichen in den drei Jahren vorher auch. Alois Karl, Stadtbaumeister Rudolf Müller-Tribbensee und der aus dem Ruhestand reaktivierte ehemalige Stadtwerkedirektor Hanns Obermüller waren die wesentlichen Akteure bei der so kurzfristig übernommenen und so rasch durchgezogenen "Jahrhundertaufgabe Landesgartenschau".

Sie wurde in bisher nicht gekannter Geschwindigkeit geradezu aus dem Boden gestampft. Sie dauerte dann vom 24. April bis 4. Oktober und stand unter dem Motto "Sinneswandel". Dieser zeigte sich augenscheinlich auf dem Gelände der ehemaligen Kläranlage am Ludwigskanal, die schon lange ausgedient hatte. Dieses Gelände wurde flugs in eine reizvolle Parklandschaft umgewandelt. Eine Kloake wurde zum Blumengarten.

Für Planung und Umsetzung standen nur drei statt der üblichen sieben Jahre zur Verfügung. Denn Neumarkt war kurzfristig eingesprungen, weil sich die Stadt Landshut kurzfristig wegen Problemen bei der Bereitstellung von Grundstücken zurückgezogen hatte.

Schon Jahre hatte es im Neumarkter Stadtrat, insbesondere durch den Grünflächenreferenten Helmut Lahner die Überlegung gegeben, das alte Kläranlagengelände in eine "Weiherlandschaft" umzugestalten.

Aus Kloake wurde Garten

© Foto: Fritz Etzold

Da 1996 bereits das benachbarte Amberg die Landesgartenschau ausgerichtet hatte, war die Wahrscheinlichkeit, in absehbarer Zeit erneut eine Landesgartenschau in die Oberpfalz und dann noch nach Neumarkt zu holen, äußerst gering. Doch der Rückzug von Landshut erwies sich als Glücksfall.

Am 23. Februar 1995, auf den Tag genau 50 Jahre nach der ersten großen Kriegszerstörung Neumarkts 1945, bekam Neumarkt den Zuschlag für die 8. Bayerische Landesgartenschau. Bereits in den 80er Jahren war die neue Kläranlage an den nördlichen Stadtrand bei der Schönmühle umgesiedelt worden. Die leerstehenden Gebäude und das brachliegende Gelände am Kanal waren ideal für eine Neugestaltung.

30 Hektar Fläche

Etwas Besseres als Teil eines großen und dauerhaft angelegten Parkes mit etwa 17 Hektar als Kernbereich einer Landesgartenschau konnte den Neumarktern und insbesondere den Holzheimern in der unmittelbaren Nachbarschaft nicht passieren. In den erweiterten Teil der Landesgartenschau wurde auch die Schwarzachaue mit einbezogen, sodass insgesamt eine Fläche von mehr als 30 Hektar dauerhaft umgestaltet wurde.

Für die Umbauarbeiten selbst wurden umgerechnet knapp 15 Millionen Euro ausgegeben, im ganzen Stadtgebiet wurde ein "kleines Konjunkturprogramm" eingeläutet mit Investitionen von mehr als 25 Millionen Euro. Obwohl die Vorbereitungszeit sehr kurz war, reservierte man das erste Halbjahr für einen Architektenwettbewerb. Sieben Architekturbüros aus Bayern, allesamt spezialisiert auf Landschaftsplanung, nahmen daran teil. Sieger wurde das Architekturbüro Röth aus Amberg.

Schauturm war Faulturm

Die grundlegende Idee war, die alten Gebäude der Kläranlage nicht abzureißen, sondern in neuer Funktion in die Landesgartenschau einzubeziehen. So wurde aus dem ehemaligen Faulturm ein Schauturm, ein Ausstellungsgebäude, zusätzlich mit einem Aussichtsturm bereichert. Die Schlammabsetzungsbecken wurden Wassergärten, auf dem Fundament des ehemaligen Gasmotors entstand das See-Café, die ehemaligen Klärschlammpolder sind heute der große See um das See-Café herum. Nachhaltigkeit galt also von Anfang an.

Nach dem Ende der Landesgartenschau blieb der allergrößte Teil des Geländes als neuer, dauerhafter Stadtpark zurück. Der westliche Teil des Kernbereichs ist heute der Kinderspielplatz mit Wasserspielplatz in der Nähe des FC Holzheim, zusätzlich ist er Flutungsraum für Hochwasser und hilft so bei starken Niederschlägen dort Überschwemmungen zu verhüten.

Maierbach renaturiert

In diesem Zusammenhang wurde auch der früher kerzengerade fließende Maierbach renaturiert und erhielt weit ausladende Uferzonen. Das gleiche geschah im Nordosten mit der Schwarzach. Ein weit verzweigtes Wegenetz wurde auf attraktiven Stegen und neuen Brücken geführt. Nicht nur auf dem Parkgelände tat sich etwas, die Innenstadt sollte nicht zurückstehen.

Grünanlagen und Parks wurden renoviert, eine neue Fußwegeverbindung zwischen der Altstadt und dem neuen Park wurde errichtet, der Bahnhof Neumarkt wurde umfassend saniert, auf dem ehemaligen Gelände des Güterbahnhofes der neue Busbahnhof errichtet und über den Ludwigskanal vier Brücken neu angelegt oder dominant verändert.

1,1 Millionen Gäste

Die Landesgartenschau Neumarkt zählte bis zu ihrem Ende am 4. Oktober 1,1 Millionen Gäste aus ganz Bayern. Mehr als sechstausend Omnibusse kamen nach Neumarkt. Viele besuchten neben der Landesgartenschau auch die Ausstellung von Friedensreich Hundertwasser in der Residenz.

Zahlreiche Führungen im Landesgartenschaubereich, insbesondere durch den "Garten des Lebens", viele Vorträge, Musik, Tanz- und Theatervorführungen haben das kulturelle Leben der Stadt bereichert. Neumarkter Unternehmen, insbesondere die Firma Bionorica, haben die Landesgartenschau genutzt, um sich einem breiten Publikum zu präsentieren.

Für das Durchführungs-Programm standen umgerechnet mehr als sechs Millionen Euro zur Verfügung, unter dem Strich blieb sogar noch etwas übrig. Neumarkt war damit die bislang einzige Landesgartenschau, die mit einem finanziellen Überschuss abschloss.

Noch im Herbst 1998 begann der Rückbau von Blumenbeeten und anderem. Dennoch blieben mehr als 90 Prozent der Parkanlage erhalten. Seit dieser Zeit lockt die Reihe "Sommer im Park" Tausende von Besuchern in den Sommermonaten an, unter anderem Kinderprogramme und Konzerte in der Arena, dem früheren Rührwerk und Schlammabsetzbecken.

Im August verwandeln sich die Böschungen des Ludwigskanals jedes Jahr zu einem Open Air Kino. Für die Pflege und den Erhalt des Geländes sorgen viele Ehrenamtliche, Vereine und Verbände.

 

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