Ausländer fühlen sich im Zirkus pudelwohl

28.9.2016, 05:54 Uhr
Ausländer fühlen sich im Zirkus pudelwohl

© Foto: Fritz Etzold

Träge liegen fast ein Dutzend Löwen mit samtbeigem Fell in der ungewöhnlich warmen September-Sonne. Der englische Raubtier-Lehrer Martin Lacey erklärt in nahezu akzentfreiem Deutsch: „Es geht um gegenseitigen Respekt, bei Tieren und bei Menschen.“

Da dürfe man eben nicht im eigenen Zirkuswagen die Musik auf volle Lautstärke aufdrehen. Wer von dem mitreisenden internationalen Völkchen eine Party feiern will, braucht dafür eine extra Genehmigung der Tourneeleitung. Was Lacay voll bejaht.

Sekunden später spitzen bei ihm fast durchwegs dunkelhäutige Schüler von zwei Integrationsklassen der Mittelschule West über den Zaun zum Löwengehege. „Buon giorno“ begrüßt der italienische Papageientrainer Alessio Fochesato seine 20 gefiederten Freunde. Augenblicke später spaziert er mit dem wunderschönen, königsblauen Hyazinth-Ara „Zeus“ auf dem Arm aus dem Gehege.

Probleme als Ausländer in der internationalen Schar? Keine. Das gleiche sagt Elefanten-Betreuer Dragan Zhechev aus Bulgarien. Aus Liebe zu den Tieren hat er die Zirkuslaufbahn eingeschlagen, radebrecht er auf Englisch.

Auf dem Weg zum Küchenwagen dringt das aufdringliche „Oink, oink“ der Seelöwen in die Ohren. Im Küchenwagen schwingen die drei Rumänen Dorina, Jonela und Gabriel ihre Kochlöffel. In riesigen chromblitzenden Bottichen bereiten sie Linsensuppe und Erbsensoße für den Hackbraten vor. Mittagessen für 180 alleinreisende Zirkusbeschäftigte. Während der siebeneinhalbmonatigen Tournee kochen sie jeden Tag.

„Die Rumänen lernen am schnellsten Deutsch“, weiß Zirkussprecher Frank Keller. Kein Wunder, ein Teil von Rumänien ist deutschsprachig. Keller weiter: „Es spielt keine Rolle, wo jemand herkommt, welche Sprache er spricht oder welche Religionszugehörigkeit er hat.“ Meist verständigt man sich auf Englisch oder Deutsch, manchmal übersetzen Arbeitskollegen. Zwölf Nationen sind unter 260 Krone-Mitarbeitern vertreten. Darunter auch etliche Lkw-Fahrer aus Russland und der Ukraine. Oder auch die Manege-Helfer aus der Mongolei und aus Kolumbien.

Allerdings sind noch keine Flüchtlinge dabei. An fehlenden Deutschkenntnissen liegt es sicher nicht, denn die sind nicht nötig. Viel wichtiger: die „Liebe zum Zirkus“. Lust am Reisen und am Leben auf engstem Raum. Beim Auf- und Abbau des Zirkuszeltes und der kompletten Anlage müsse jeder Handgriff sitzen. Keller: „Da ist nicht um sechs Uhr Feierabend.“

Zirkusschule in Wagen 49: Dort unterrichtet Lehrerin Christine Kretschmann zwei Kinder auf Deutsch. Allerdings stammen die Eltern von Schirin aus der Schweiz und aus Italien, während Alexis ein halber Engländer ist. Für sie fängt die Integration verschiedener Nationen schon in der eigenen Familie an.

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