Banden knacken auch in Neumarkt edle Luxuskarossen

16.8.2016, 17:07 Uhr
Banden knacken auch in Neumarkt edle Luxuskarossen

© Foto: André De Geare

Irgendwann zwischen 0.30 Uhr und 7.45 Uhr haben die Täter zugeschlagen. In dieser Zeit ist der schwarze BMW 740, vor einem Haus in Pölling abgestellt, verschwunden – „auf bisher unbekannte Weise“, wie es im Polizeibericht heißt. Nicht viel anders am Wochenende in Sengenthal. Auch da verschwand ein 80000 Euro schwerer BMW X5 - mit einem Unterschied: Der Wagen ist wieder da, im Rahmen einer Großfahndung kurz vor der Grenze gestoppt.

Wie die beiden Limousinen tatsächlich geknackt und entwendet worden sind, weiß letztlich nur der Täter selbst. Möglichkeiten gibt es einige: Häufig schlagen die Aufbrecher einfach eine Seitenscheibe ein — eine erfolgreiche Vorgehensweise vor allem dann, wenn das Auto nicht durch eine Alarmanlage gesichert ist. 50 bis 60 Prozent der Neuwagenkäufer wollen die 600 bis 700 Euro für die Diebstahlssicherung nicht ausgeben, berichtet Max Partl vom gleichnamigen Neumarkter BMW-Autohaus.

Alarm oft ignoriert

Selbst wenn der Alarm anschlägt: Autodiebe beeindruckt dies häufig wenig, weil das Publikum allzu oft gleichgültig auf das Signal reagiert. „Die Sensibilität lässt nach“, beobachtet Max Partl. Auch die blockierte Wegfahrsperre oder die Verriegelung der elektronisch gesteuerten Handbremse stellen offensichtlich für die Täter selten ein wirkliches Hindernis dar. Allerdings setzt das Überwinden der Sperren mit technischen Mitteln einige Spezialkenntnisse voraus. „Da muss man sich wirklich in der Materie auskennen“, so BMW-Händler Partl.

Vermutlich passiert diese Decodierung wegen des Zeitdrucks meist nicht am Tatort. Zeugen von Autodiebstählen berichten, wie die Kriminellen nicht selten die Beute trotz Wegfahrsperre mobil machen: Fahrzeuge werden in Sekundenschnelle mit einem Bordkran auf einen Autotransporter gehievt oder mit einer Seilwinde und brachialer Gewalt auf die Ladefläche gezogen. Einen Angriffspunkt für Autodiebe stellt das sogenannte Keyless-System dar, wie es unter anderem bei Mercedes und BMW verbaut ist: Der Zündschlüssel wird nicht mehr in ein Schloss gesteckt, sondern muss sich nur noch in der Nähe des Fahrzeuges befinden, damit der Wagen geöffnet und gestartet werden kann.

Angeblich gibt es auf dem Schwarzmarkt Gerätschaften und Programme, um das Signal beispielsweise bei Benutzung der Fernbedienung zum Schließen abzufangen.

„Mit dem entsprechenden technischen Equipment ist es möglich, die Zugangssysteme zu überwinden, wir wissen sehr genau, wie es funktioniert“, sagte Albert Brück vom Polizeipräsidium der Oberpfalz. Die Ordnungshüter kennen nicht nur die bevorzugten Vorgehensweisen, sondern auch gewisse Strukturen des Milieus. Von organisierter Kriminalität im strengen Sinn möchte Polizeisprecher Brück zwar nicht reden, aber die Kripo hat klare Anzeichen für eine „arbeitsteilige Vorgehensweise“: Eine Tätergruppe begeht den eigentlichen Diebstahl, während ein weiteres Bandenmitglied das gestohlene Auto wegschafft und im Idealfall über die nächstgelegene Grenze bringt. „Die Transporte lohnen sich, von Neumarkt aus muss man nicht weit fahren“, sagt Max Partl.

Wieder andere Mitglieder der Organisation haben den Part, die erbeuteten Automobile weiterzuverkaufen — in Teilen oder als Komplettfahrzeug.

Die nicht repräsentative Durchsicht der Polizeiberichte der vergangenen Wochen weist auf eine Diebstahlswelle im Neumarkter Raum hin. Die Polizei kann den Trend allerdings statistisch noch nicht untermauern. 2015 sind in der Oberpfalz 100 Kraftfahrzeuge entwendet worden. Nur etwa ein Viertel der gestohlenen Vehikel ordnet die Polizei den beschriebenen „Strukturen“ zu.

Legaler Brief

Recherchen der NN ermöglichen einen Einblick in die Geschäftspraktiken der Kriminellen: Nicht selten kaufen die Autofriseure Unfallautos bei den Kfz-Versicherungen, die selbst die Verwertung der Wracks ihrer Kunden übernehmen — zu einem Preis, der weit über dem eigentlichen Marktwert des beschädigten Wagens liegt. Egal, denn das Schrottauto wird nie mehr repariert, allenfalls ausgeschlachtet.

Besonders werthaltig ist der legale Fahrzeugbrief des Autos. Und der wird mit einem baugleichen — gestohlenen — Pkw kombiniert. Die „neue“ Fahrgestellnummer des Zwillings ist dann natürlich gefälscht. Ein Branchenkenner: „Wir belächeln solche Praktiken, weil sich die Versicherungen damit ins Bein schießen.“

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