Boy's Day: Junge Männer schnuppern in der Klinik

24.4.2015, 12:30 Uhr
Boy's Day: Junge Männer schnuppern in der Klinik

© Horst Linke

Auf dem Tisch in der Berufsfachschule für Gesundheits- und Krankenpflege liegt ein Arm. Über diesen beugt sich gerade Tobias Thoß, zögert etwas, vergewissert sich, ob die Injektionsstelle stimmt – und führt dann beherzt und mit ruhiger Hand die Nadel ein. Blutentnahme.

Der täuschend echt aussehende Übungsarm lässt mit sich machen, wozu kaum ein Mensch bereit wäre: einen blutigen Anfänger an sich heran lassen. Wobei der jungen Mann vermutlich nicht viel angerichtet hätte. Wie seine junge Anleiterin bestätigt, habe er das „schon sehr gut“ gemacht.

Tobias Thoß könnte so jemand sein, der dazu beiträgt, dem Pflegeberuf das Ettiket „Frauenjob“ wenigstens ein bisschen anzukratzen. Doch der Zehntklässler des Neumarkter Willibald-Gluck-Gymnasiums hat etwas andere vor: Medizin will er studieren — und den Boys Day nimmt er mit, weil er dort komprimiert viel geboten bekommt. Die Pflege findet er „interessant und wichtig“ — aber die Bedingungen seien einfach nicht gut, meint er. Seine Mutter arbeitet in der Pflege.

Bundesweit sind es immerhin noch 21 Prozent Männer, die unter dem Titel „Altenpfleger“ oder „Fachkraft für Altenpflege“ arbeiten. Es gibt Bereiche, da sind die Herren der Schöpfung noch weitaus seltener anzutreffen. Bei den Friseuren etwa (elf Prozent) oder beim Fachverkäufer im Lebensmittelhandwerk (neun Prozent). Am geringsten ist der Männer-Anteil bei Medizinischen und Zahnmedizinischen Fachangestellten: Als einprozentige Vertreter ihres Geschlechtes dürfen sich Männer hier zu Recht als Exoten fühlen.

Zurück zur Pflege in Neumarkt: Anna-Lena-Stephan nimmt am Boys’ Day teil. Am Boys’ Day? „Für ein paar Mädchen haben wir eine Ausnahme gemacht“, erklärt die Organisatorin Margarete Hartard. Doch auch Anna-Lena plant eher ein Medizinstudium als in den Pflegeberuf einzusteigen. Anhand eines Fehler-Filmes analsysiert sie gerade mit Hilfe der beiden Azubis Janina Liederer und Alisa Brüderlein, worauf im Pflegealltag zu achten ist. „Jetzt hat die Pflegerin vergessen, ihre Hände zu waschen“, sagt Anna-Lena unter Zustimmung ihrer beiden Anleiterinnen.

Die beiden Azubis haben Spaß an ihrem Aufgabenfeld: „Natürlich ist es nicht immer einfach“, sagen sie, finden es aber unangemessen, dass es oft in den Köpfen nur auf jenen Teil der Körperpflege reduziert werde, der allgemein auch für niedere Arbeit steht und als unappetitlich empfunden wird.

Als sie vor einer lebensgroßen Puppe im Krankenbett stehen, erklären sie den angemessenen Wortschatz im Umgang mit Pflegebedürftigen: Lagerung statt hinlegen. Essenseingabe statt Füttern. Es gibt kein Lätzchen sondern Servietten. Eine Sache des Respektes, auf den in der Ausbildung viel Wert gelegt werde.

Margareta Hartard von der Bereichspflegedienstleitung sieht das mit Freude: „Unsere Auszubildenden bereiten sich auch intensiv auf diesen Tag vor. Die lernen nochmal ganz anders als sonst, wenn sie wissen, dass sie als Anleiterinnen gefragt sind.“

Insgsamt 44 Schüler haben an diesem Boys’ Day in der Berufsfachschule teilgenommen. Gezeigt wurden auch Physiotherapie, Röntgenassistenz und Operationstechnische Assistenz.

Vielleicht überlegt es sich der ein oder andere Junge, in den Beruf einzusteigen. Laut einer Studie kann sich nach derartigen Veranstaltungen jeder dritte Teilnehmer eine berufliche Zukunft in Medizin und Pflege vorstellen. Das wären nach dem Boys’ Day in der Gesundheits- und Krankenpflege in Neumarkt schon 15 Schüler.

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