Das Spiel mit Oberflächen und Strukturen

29.11.2014, 10:45 Uhr
Das Spiel mit Oberflächen und Strukturen

© Martin Herbaty

Der 1954 geborene Peter Böhm kommt quasi aus einer Architektendynastie: Ebenso wie sein Großvater und Vater sind auch seine Brüder Architekten. Nach dem Studium arbeitete er unter Otto Steidle, bevor er 1987 ein eigenes Architekturbüro gründete. Im Vortrag bezeichnete er die Architektur als „eigentlich ein Handwerk“. Er setzte sich deutlich ab vom „Künstlerarchitekten, der morgens eine geniale Idee hat“.

Auch wenn gerade im städtebaulichem Umfeld Mitdenken und Mitfühlen unabdingbar seien, gehe es hier um technische Lösungen und das Ordnen von Räumen und Oberflächen. Selbst der dramatische „Schiffsbug“ der Köln-Arena – „das ist keine Kunst, das hat sich aus den Anforderungen ergeben“. Ebenso praxisorientiert sind die asymmetrischen Tribünen, die sich bei Konzerten bewährt haben.

Von Klenze-Bau inspiriert

Vor kurzem hat Böhm den Neubau der Hochschule für Film und Fernsehen München abgeschlossen. Für Böhm ein spannendes Projekt, liegt das Gebäude doch gegenüber der alten Pinakothek. Begeistert von der „großartigen Art“ des Klenze-Baus hatte er sich entschlossen, in seinem Neubau Bezüge des historischen Gegenübers aufzunehmen, etwa in Form, Größe, Proportionen und der vertikalen Zweigliederung eines massiven Sockels und transparenteren Obergeschossen. Das Ergebnis ist kein bewusst „moderner“ Bau – die Gestaltung ergab sich aus dem Zweck: Die Studios und Kinos im unteren Bereich mussten abgeschottet werden, während das Foyer die Hochschule nach außen öffnen sollte. Büros, Seminar- und Schneideräume in den drei obersten Geschossen sind dagegen großzügig verglast.

Gerade im Umfeld der benachbarten Museen hatte sich Böhm für eine experimentell-robuste Außengestaltung entschlossen: Der gefärbte Beton der Außenmauern wurde in Schichten gegossen. So greift er auch die bewusst unvollkommenen Reparaturen der Kriegsschäden an der alten Pinakothek auf.

Das im gleichen Zug neu gestaltete Museum für ägyptische Kunst verschwand weitgehend unter der Erde. Da die Ausstellungsstücke vorwiegend aus Tempeln stammen, ließ sich Peter Böhm auf einer Reise nach Karnak und Luxor inspirieren. Von außen macht das stark überhöhte Portal mit einer 18 Meter hohen und 16 Meter breiten Wand auf das Museum aufmerksam. Im Inneren achtete Böhm auf die Dramaturgie der Wegführung durch die Skulpturenhallen mit bewussten Unterbrechungen bei den Übergängen und Durchblicken an anderen Stellen. Für die optische Leichtigkeit wurden dreieckige Stützsäulen entwickelt, die trotz einer Breite von 1,6 Metern je nach Blickwinkel die Massivität des Baus auflösen.

Gerade umgesetzt wird der Neubau der Hochschulbibliothek in Münster. Der lange Gebäuderiegel schmiegt sich an den Altbau. Die Fassadengestaltung ergibt sich aus dem Platzbedarf der Bücherregale, die sich über vier Geschosse ziehen und das gesammelte Wissen über die Fenster nach außen sichtbar machen. Manche aus der Not geborene Lösung hat sich zum Gestaltungselement entwickelt wie die Lichtführung oder der Ziegelverbund, der Strukturen des Altbaus aufgreift und für Schallschutz sorgt.

Innovative Lösungen sind Böhms Markenzeichen auch bei anderen Gelegenheiten: Eine von seinem Vater in Neviges bei Essen als monolithischer Betonbau errichtete Kirche war sanierungsbedürftig. Um ein Bleidach zu vermeiden und die alten Oberflächen zu erhalten, wurde in langen Versuchsreihen eine Textilbeton-Beschichtung mit Karbonfaserarmierung entwickelt.

Mit mehreren Preisen ausgezeichnet wurde eine Wohnsiedlung in Hennef bei Bonn. Hier konnte Böhm auf einer zentral gelegenen Industriebrache seine Vision einer „modernen Altstadt“ verwirklichen. Kleine und große Wohngebäude und Einfamilienhäuser gruppieren sich um mehrere Plätze und öffnen sich zur Sieg hin. Die geschwungenen Häuserzeilen ordnen sich einem einheitlichen Gestaltungsprinzip unter. Angesichts dieses Beispiels ging Peter Böhm mit Stadtplanern an anderen Orten ins Gericht: „Städtebau scheitert oft an der Angst davor, Traditionen modern zu interpretieren. Im modernen Städtebau wird häufig zu modisch gedacht.“ Seiner Ansicht nach sind bestimmte Prinzipien unabhängig von Stil und Moden.

Unverständnis von außen gegenüber Entwürfen zeigte sich bei einem weiteren Projekt: Die Kirche Pius X in Hohenstein war ursprünglich für einen anderen Standort entworfen worden und – obwohl Wettbewerbssieger – vom Pfarrer abgelehnt worden. „Dann hat der Nachbarpfarrer zugeschlagen, und dort passt sie noch besser.“ Hoch aufragend, schmal und doch offen nach außen ist sie ein Beispiel für die Gestaltungsprinzipien Peter Böhms – seine Gebäude sind massiv und filigran zugleich und spielen mit Oberflächen und Strukturen.

Im Gespräch mit Johannes Berschneider schilderte Peter Böhm seine Prägung durch Otto Steidle: Auch der sei ein Handwerker gewesen, der „Sachen sinnvoll und mit Herz gemacht hat“. Das Verhältnis zu den Architekten aus der eigenen Familie sieht er geprägt von freundlicher Rivalität und gegenseitiger Unterstützung.

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