Der Museumsbau erfordert Kunst der Zurückhaltung

12.4.2013, 10:15 Uhr
Der Museumsbau erfordert Kunst der Zurückhaltung

© Etzold

Alexander Schwarz, den Johannes Berschneider als Referenten ins Museum für historische Maybach-Fahrzeuge eingeladen hatte, ist für keinen Geringeren als für David Chipperfield tätig. 1998, zwei Jahre nach seinem Einstieg bei dem weltberühmten Londener Architekten, ging er mit vier Kollegen nach Berlin, um dort das Projekt „Neues Museum“ in Angriff zu nehmen. Seit 2006 zählt er zum Direktorenkreis der deutschen Dependance, seit zwei Jahren ist er Partner im Unternehmen.

Vielleicht hat die Symbiose von Raum und Klang den Weg zur Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart geebnet. Vor seinem Architekturstudium in Zürich und Stuttgart hat Alexander Schwarz als Geigenbauer und –restaurator einen anspruchsvollen Handwerksberuf erlernt.

Bei diesem sensiblen Streichinstrument entscheiden Materialqualität und Formgebung über die Qualität des Klanges. In der Museumsarchitektur schafft die Verbindung zweier Funktionen und zweier Rahmenbedingungen die Grundlagen: „Ein Museum soll die Exponate schützen und zugleich dem Publikum zugänglich machen“, definiert Alexander Schwarz die im Grunde widersprüchlichen Aufgaben des Gebäudes. Und zugleich verbindet es Standort und Original. „Im Gegensatz zu den reproduzierbaren Darstellungen der virtuellen Welt ist ein historisches Exponat eben nicht beliebig verfügbar“, so der Architekt und unterstreicht damit die Wertigkeit des Einmaligen im Vergleich zur beliebigen Illusion.

Am Umfeld orientieren

Als aktuelles Beispiel für diese Axiome der Museumsarchitektur nennt er ein Projekt im Sudan. Dort gräbt seit 1995 ein Team des Ägyptischen Museums in Berlin an der Ruinenstätte Naqa nördlich von Karthum. Ansinnen des Ägyptologen ist es, die kostbaren Fundstücke an Ort und Stelle aufzubewahren. Gemeinsam haben Archäologen und Achitekten mitten in der Wüste einen geeigneten Standort für das Museum gesucht, ohne dass es die Silhoutte der historischen Bauten beeinträchtigt. Nur ein einziger Geländepunkt kam in Frage: Dort, wo auf einem Standpunkt von einem Meter Höhe die Horizontlinie auf den Amun-Tempel trifft.

Der Entwurf des Museums – gebaut werden soll ab Herbst 2013 – steigt bis zu exakt diesem Punkt um einen Meter an. Der Boden verläuft kontinuierlich, das aus Fertigprofilen bestehende Dach in Treppenform. Im gesamten Haus haben die Architekten auf Fenster verzichtet und sich auf Öffnungen beschränkt. Die Sandsteinwände greifen in Farbe und Struktur die raue Wüstenumgebung auf.

Weitaus lieblicher, doch nicht weniger prägend ist die Umgebung des Schiller-National-Museums in Marbach mit dem angrenzenden Museum für moderne Literatur. „Dieses Projekt definiert sich über den Ort und die Exponate“, erinnert sich Alexander Schwarz. Galt es doch, nicht nur die Lebendigkeit des schwäbischen Wirtschaftsraumes hereinzulassen, sondern auch so unterschiedliche Prägungen wie den Klassizismus und die Quadratur der 1970er-Jahre einzufangen. Schwarz und seine Kollegen lösten den Knoten mit einem Spiel zwischen vertikal und horizontal. Eine transparente Säulenarchitektur lässt Landschaft und Licht herein.

Alt und neu vereinen. Ein Paradebeispiel für diese Herausforderung ist der Wiederaufbau des Neuen Museums in Berlin. Die Bauzeiten des Projekts sprechen für sich: Zwischen 1841 und 1859 von Friedrich August Stüler auf der Berliner Museumsinsel geschaffen, benötigte auch das Büro von David Chipperfield geschlagene zwölf Jahre, um den heutigen Status herzustellen. „Es galt, die emotionale Schönheit der Ruine in ein funktionales Gebäude hinüberzuretten und damit einen würdigen Platz für die ägyptische Sammlung zu schaffen.“ Alexander Schwarz wirkt noch heute von der Herausforderung gefesselt: „Bei der Verbindung zwischen Alt und Neu muss man immer aufpassen, dass Altes hinterher nicht alt aussieht, sondern das Neue seine Schönheit unterstreicht.“

Gelungenes Beispiel dafür ist das wieder errichtete, zentrale Treppenhaus. Stüler hatte ein monumentales Bauwerk geschaffen, um zu den Exponaten emporzuschreiten. Schwarz übernahm den Stüler'schen Plan und rekonstruierte einen Treppenaufgang aus zehn mal vier Meter großen Betonfertigteilen. Mit einem Fugenmaß von fünf Millimetern bei nur einem Millimeter Toleranz wirkt die Anlage wie hineingegossen.

Das Spiel mit dem Licht

Als Spiel mit dem Licht ist das Volkwang-Museum in Essen inszeniert. Dieses Begegnungsstätte für klassische Moderne haben die Achitekten von 2007 bis 2010 neu aufgebaut und mit einer transluzenten Fassade, die je nach Lichteinfall die Farbe verändert, ein lebendiges Gebäude geschaffen. Ein Lichtspiel ganz anderer Dimension eröffnet das Musée-des-baux-arts in Reims, ein kathedralenartiges Gebäude, das sich aus drei versetzten Elementen mit Pultdächern zusammensetzt. Dach und Fassade öffnen dem Licht den Weg ins Innere, und transparente Materialien lassen das Gebäude trotz seiner Höhe nicht massig erscheinen.

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