Die Alliierten legen Neumarkt in Schutt und Asche

24.4.2017, 12:59 Uhr
Die Alliierten legen Neumarkt in Schutt und Asche

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Geschossen wird nicht mehr, doch der Kampf geht weiter in Neumarkt. Der Kampf ums Überleben in einer völlig zerstörten Stadt. Glück für die Bewohner: Es ist Frühling, die warme Jahreszeit steht bevor. Trotzdem gehen manche kalten Zeiten entgegen.

Nach dem ersten Bombenangriff am 23. Februar, bei dem das Bahnhofsviertel schwer beschädigt worden war und es 400 Tote gab, war es ruhig geblieben.

Bis zum 11. April: Erneut soll der Bahnhof unter Beschuss genommen werden, um den Nachschub der Nazis zu unterbinden. Doch die Markierungen für das zu bombardierende Gebiet werden falsch gesetzt, 71 Bomber laden 351 Sprengbomben direkt über die Altstadt ab.

Als wäre das nicht genug: Als die Amerikaner über Nürnberg anrücken, wollen die Nazis und die Waffen-SS Neumarkt verteidigen. Deshalb nimmt die US-Artillerie die Stadt ab dem 19. April unter Beschuss, Jagdbomber werfen Phosphorkanister ab, das Feuer springt von Haus zu Haus, Neumarkt brennt. Am 20. April brennt die Stadt von einem Ende bis zum anderen.

Die SS räumt das Feld

Das führt zum Einsehen: Die letzten SS-Männer räumen das Feld, verlassen die Stadt über den Bahnhof Richtung Süden. Am 22. April übernehmen die Amerikaner das Kommando, am 23. April geben sie die Stadt den Kriegsgefangenen und Verschleppten zur Plünderung frei. Was nicht niet- und nagelfest ist, wird mitgenommen. Wer sich wehrt, erhält eine Tracht Prügel, schildern Augenzeugen.

Schon wittern auch einige Deutsche Morgenluft und schließen sich den Plünderern an. "lch habe gestaunt", erzählt eine Neumarkterin, "mit welcher Frechheit Familien noch Jahre später die Kleider getragen haben, die aus unseren Schränken stammten."

Am 24. April kehren viele der geflüchteten Neumarkter zögernd in ihre Stadt zurück. Die meisten Bewohner der Innenstadt finden nur noch Trümmer oder völlig ausgeplünderte Wohnungen vor, in denen das Chaos herrscht, bilanziert Rainer Krüninger, stellvertretender NN-Chefredakteur, in seinen Berichten über die ersten Tage nach der Befreiung Neumarkts.

Jagdbomber greifen an

Einige Neumarkter, die bei den Amerikanern auf einer "Liste" stehen, werden verhaftet und sofort in ein Lager gebracht. Der amerikanische Kommandant richtet sein Büro im Finanzamt ein, wo kurz vorher der "Kampfkommandant" der SS seinen Gefechtsstand hatte.

Vor dem Gebäude findet, nachdem man die Trümmer weggeräumt hat, eine Siegesparade statt. Rund 1000 Soldaten sind auf beiden Seiten gefallen in den Kämpfen in diesen Tagen. Die SS-Division Götz von Berlichingen, die Neumarkt bis zuletzt verteidigt hatte, befindet sich inzwischen auf dem Rückzug nach Süden. In Pyrbaum werden am 22. April noch zwei US-Panzer abgeschossen. Im Wald bei Rittershof kommt es noch zu einigen Schießereien. 17 deutsche Soldaten fallen bei Gefechten nahe Lauterhofen. In einem sechsstündigen Nachtmarsch wird ein zusammengewürfeltes Bataillon unter einem jungen Oberleutnant Sahleder von Thalmässing über Freystadt nach Tauernfeld herangeführt. Teile dieser Einheit werden im Wald zwischen Deining und Lengenbach aufgerieben.

Postbauer und Pyrbaum werden im Verlauf der Kämpfe von Jagdbombern angegriffen, und auch in Freystadt, Trautmannshofen, Heng und Tyrolsberg gibt es schwere Schäden durch Jagdbomber. In Berg rettet Hauptlehrer Schidlo den Ort vor der Zerstörung.

Schusswechsel im Kalkwerk

Pavelsbach wird teilweise zerstört, der Greißelbacher Bahnhof zusammengeschossen. Sogar im Kalkwerk Behringer in Sengenthal kommt es zu Gefechten zwischen US-Truppen und deutschen Soldaten.

Am 23. April muss das 82. Armeekorps, zu dem die Götz von Berlichingen und zwei Volks-Grenadier-Divisionen gehören, bereits US-Angriffe Richtung Regensburg auffangen. Bei Parsberg wird am gleichen Tag ein deutscher Vorstoß mit Sturmgeschützen unternommen, aber dann artet der ganze Kampf in eine "hinhaltende Flucht" der Deutschen aus.

Der Kampf um Neumarkt ist das letzte schwere und verlustreiche Gefecht für die US-Truppen in Ostbayern. Fünf Tage nach der Einnahme von Neumarkt ist fast die gesamte Oberpfalz besetzt.

Das vergessene Dorf

Nur Voggenthal nicht. Das Dorf bleibt noch einige Tage "feindfrei". Die Amerikaner scheinen den kleinen Ort, in den viele Neumarkter geflüchtet sind, übersehen zu haben. Als der Gastwirt von Voggenthal auf der Straße oberhalb des Ortes nach dem Rechten sehen will, wird er von den Amerikanern aufgegriffen. Die nehmen ihm die Geschichte von dem unentdeckten Dorf nicht ab.

Erst die Bitten eines jungen Mädchens und der Hinweis, dass er schließlich Vater von sechs Kindern sei, überzeugen die US-Soldaten, dass der Mann kein Partisan oder Saboteur ist. Immerhin wissen die Amerikaner jetzt, dass es Voggenthal gibt. Es wird als eine der letzten Ortschaften in der Oberpfalz auch noch eingenommen.

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