Ecstasy-Prozess: So begründet der Richter sein Urteil

11.6.2017, 10:27 Uhr
Ecstasy-Prozess: So begründet der Richter sein Urteil

© F.: Fellner

Besonders auf der Facebook-Seite der Neumarkter Nachrichten forderten Leser härtere Strafen für den heute 21-Jährigen, der an dem schrecklichen Geschehen im Juni 2016 zumindest am Rande beteiligt war – der Haupttäter war schon vor einiger Zeit zu zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden, auch andere Beteiligte mussten sich bereits verantworten.

Die NN haben dem zuständigen Jugendrichter Danny Schaller die drängendsten Fragen der Facebook-Nutzer zu dem Fall weitergegeben und geklärt. Eine davon: Weshalb ist der 21-Jährige zu "nur" 80 Arbeitsstunden verurteilt worden?

Erziehung steht im Vordergrund

"Anders als im Erwachsenenstrafrecht steht im Jugendstrafrecht der Erziehungsgedanke im Vordergrund, nicht das Unrecht der Tat." Danny Schaller hatte das Urteil am Mittwoch gesprochen und – wie so oft – schon während der Verhandlung versucht, zu erklären, wie er zu diesem Strafmaß kommt.

Der Hauptgrund: Da der Angeklagte zur Tatzeit 20 Jahre und drei Monate alt war und ihm die Jugendgerichtshilfe im Prozess erhebliche Reife-Defizite bescheinigt hatte, galt das Jugendstrafrecht.

Dieses hat, einfach ausgedrückt, das Ziel, die Jugendlichen durch geeignete Erziehungsmaßnahmen zu einem straffreien Leben zurückzuführen. "Als Jugendrichter muss meine Entscheidung immer einzig und allein an diesem Erziehungsgedanken orientiert sein, auch wenn ich aus Sicht der Bevölkerung oder der Angehörigen dem Bedürfnis der Sühne entsprechen soll."

Relationen gewahrt?

Im Erwachsenenstrafrecht wäre es laut Danny Schaller nicht bei 80 Arbeitsstunden geblieben. Er schränkt aber ein: "Recht viel höher wäre das Urteil auch nicht ausgefallen." Denn für unterlassene Hilfeleistung beträgt der Strafrahmen Geldstrafe bis hin zu einem Jahr Freiheitsstrafe.

"Bei einem Ersttäter, wie der Angeklagte es ist, wird der volle Strafrahmen meist nicht ausgeschöpft. Somit wären vermutlich maximal ein paar Monate Gefängnis dabei herumgekommen", sagt Jugendrichter Danny Schaller.

Ecstasy-Prozess: So begründet der Richter sein Urteil

© Archivfoto: Kunze

Er weiß auch: "Da kann man nun trefflich darüber diskutierten, wie es sein kann, dass im Erwachsenenstrafrecht Schwarzfahren, also das Erschleichen von Leistungen, exakt den gleichen Strafrahmen hat wie die unterlassene Hilfeleistung." Er als Richter, noch dazu am Jugendgericht, kann daran aber nichts ändern.

Reue ist wichtiges Kriterium

Er kann nur die Fälle prüfen, die er zu verhandeln hat, und sich die Angeklagten ansehen. Leiden sie unter dem, was sie getan haben? Bereuen sie das Geschehen? Stehen sie aufrichtig dafür gerade? Und welche Umstände führten zu der Tat? All das analysiert der Richter im Prozess.

Im Falle des 21-Jährigen kann Schaller die ersten drei Fragen bejahen und skizziert in seinem Urteil einen Täter, der eigentlich bislang selbst das klassische Opfer war – Außenseiter, in der Schule gemobbt. "Aus dieser Position heraus gehört dann schon Charakterstärke dazu, in einer solchen Situation, wie sie sich in Dietfurt abgespielt hat, zu sagen: ,Wir machen das jetzt so, wie ich es für richtig halte, holen Hilfe und machen es nicht, wie ihr alle sagt.‘"

Also schwieg der junge Mann in der Tatnacht. Versagen aus Unsicherheit nennt Richter Schaller die Tat, die zudem nur ein Nebenpunkt in der Anklage gewesen ist: Vorrangig hatte ihm die Staatsanwaltschaft vorgeworfen, die 14-Jährige intim berührt zu haben. Doch da die Zeugen das nicht bestätigen konnten, fiel dieser Anklagepunkt flach.

Schlag in die Magengrube

"Und für den Rest der Anklage halte ich die 80 Arbeitsstunden für angemessen – auch, wenn ich nachvollziehen kann und bedaure, dass das für die Angehörigen womöglich ein Schlag in die Magengrube ist. Danach kann ich mein Urteil aber nicht ausrichten", sagt der Richter.

Letztere können, so sieht es die Strafprozessordnung vor, noch in einem Zivilprozess ihre Ansprüche auf Schadensersatz geltend machen. Zwar kann den Eltern kein Geld der Welt ihre Tochter zurückbringen, prinzipiell denkbar ist laut dem Nürnberger Justiz-Pressesprecher Friedrich Weitner jedoch eine Schadensersatzforderung, beispielsweise wegen "Schockschadens". Dabei geht man davon aus, dass die Eltern durch den Tod der Tochter traumatisiert oder anderweitig beeinträchtigt wurden.

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