Edeka-Projekt: Wie Brachland doch ein Sahnestück wurde

15.2.2019, 09:30 Uhr
Edeka-Projekt: Wie Brachland doch ein Sahnestück wurde

© Foto: André De Geare

Am Ende ging alles ziemlich schnell und geräuschlos über die Bühne. Erst im Dezember 2018 hat der Bausenat des Stadtrates jenen Bebauungsplan "153 – S0 Amberger Straße/Thüringer Straße" für das knapp 9000 Quadratmeter große Gelände beschlossen. Wo früher nur "landwirtschaftliche" Nutzung erlaubt war, ist dort nach einer Änderung des Flächennutzungsplanes auch der Bau eines Einzelhandels-Projektes möglich.

Immerhin geht es um einen Supermarkt mit 2000 Quadratmetern Verkaufsfläche und über 150 Pkw-Parkplätzen. Das Edeka-Vorhaben war in der Tagesordnung des Bausenats nicht eigens aufgeführt, sondern unter "Bauanträge" versteckt. Ausführliche schriftliche Sitzungsunterlagen bekamen die Stadträte nicht. Auf einer DIN A4-Seite heißt es nur lapidar: "Entspricht den Festsetzungen im rechtskräftigen Bebauungsplan." Details wurden im Bausenat nur mündlich vorgetragen. Anscheinend sollte das Projekt möglichst schnell, ohne öffentliche Diskussion und geräuschlos genehmigt werden.

Dabei sind die Verantwortlichen der Stadt Neumarkt über zehn Jahre lang ganz anders mit dem Edeka-Vorhaben umgesprungen. Bereits im September 2006 hat ein Immobilienmakler von dem privaten Eigentümer aus Cham den Auftrag erhalten, das Areal der früheren Baumschule zu verkaufen. Seitdem ist Edeka dran an dem Grundstück. Kurz darauf, im Oktober 2006, hat der damalige Stadtbaumeister Rudolf Müller-Tribbensee nach einer Bürgermeister- und Fraktionsvorsitzendenbesprechung mitgeteilt, dass dort "keine weiteren Planungen vorgenommen werden sollen" — und dass insbesondere der Flächennutzungsplan nicht geändert werden soll. Dadurch sollte es erst einmal keine Chance für eine Baugenehmigung geben.

Edeka-Projekt: Wie Brachland doch ein Sahnestück wurde

© Foto: Hubert Bösl

Vier Jahre später hat der Stadtrat ganz in der Nähe weiter stadtauswärts ein Gelände für ein großes Freizeitprojekt ausgewiesen, doch das Pohl-Areal blieb ausdrücklich ausgenommen: Im August 2010 gab OB Thomas Thumann auf Anfrage die schriftliche Auskunft — sie liegt den Neumarkter Nachrichten vor –, dass das Grundstück Pohl landwirtschaftliche Fläche bleibe. "Eine Nutzungsänderung ist zurzeit nicht veranlasst", schreibt der Rathauschef ohne Begründung. Heute distanziert sich Thumann in gewisser Weise von seiner dokumentierten Aussage von 2010: "Was ich also angeblich 2010 gesagt haben soll, hat sich durch ein Fortschreiten des Realsachverhaltes innerhalb von acht Jahren in vielfältiger Weise weiterentwickelt."

Warum sperrte sich die Stadt damals gegen das Edeka-Projekt am Stadtrand? Die Neumarkter Nachrichten stellten die Frage dem OB per Mail. Doch der will von einer zeitweiligen Blockade nichts wissen: "Das ungünstig zugeschnittene Grundstück sahen wir in der Verwaltung als schwierig an. Wir erteilten Edeka den Auftrag, Themenbereiche, die in anderen Fachbehörden entschieden werden, erst zu klären, bevor wir die für die Ansiedlung von Edeka notwendigen Planungen wie Bebauungsplan und FNP-Änderung angehen. Diese Bearbeitung und Themenstellungen bedingen naturgemäß einen gewissen Zeitraum."

Unabhängige Quellen aus Stadtrats- und Immobilienkreisen Neumarkts sehen das anders und bieten als eine mögliche Deutung an: Die Kommune habe angeblich beim Bauherrn des Neuen Marktes, der Firmengruppe Max Bögl, im Wort gestanden, erst einmal keine Einzelhandels-Konkurrenz zum erst in Planung befindlichen Einkaufszentrum an der Dammstraße aufkommen zu lassen. Eine ganze Reihe von lokalen Experten und Insidern sieht das so. "Das hat die Stadt abgeblockt, das ist jedem Bewerber so gegangen", sagt einer. "Als Bögl würde ich mir so etwas wünschen", sagt ein anderer. "Das Projekt ist von der Stadt vorsätzlich verzögert worden", so die Deutung eines dritten Gesprächspartners. Ein Stadtrat sagte gar im NN-Gespräch: "Das ist ein Beispiel dafür, wie die Stadt einen Unternehmer willkürlich gängelt."

Dieser Deutung von Insidern tritt der Rathauschef auf Anfrage der NN eindeutig entgegen: "Die Stadt kann keinen Bestandsschutz betreiben, Vertreter anderer ,Lebensmittler‘, insbesondere Vollsortimenter, haben von Anfang an bis heute Bedenken geäußert. Im Rahmen der gesetzlichen Anhörung in den Planverfahren wurden diese bearbeitet und abgewogen." Von einer Verhinderung eines Edeka-Marktes in Neumarkt könne deshalb keine Rede sein. "Im Gegenteil, lange Bemühungen meinerseits fruchten jetzt letztendlich in der Umsetzung an der bekannten Stelle in der Amberger Straße."

Während also die Stadt eine mögliche Konkurrenz des Neuen Marktes per Baurecht verhindert, passiert etwas Erstaunliches: Im Dezember 2011 schließen der Grundstückseigentümer und Edeka einen notariellen Vorvertrag für den Kauf der 9000 Quadratmeter ab, obwohl zu dem Zeitpunkt offiziell keine Aussicht auf eine Baugenehmigung besteht. Nach Recherchen der Neumarkter Nachrichten hat sich Edeka diese Option einiges kosten lassen – eine monatliche Pacht von 1000 Euro, und das für einen Zeitraum von fünf Jahren. 60 000 Euro also für die vage Aussicht auf ein vielleicht bebaubares Grundstück irgendwann.

Die NN stellten Edeka die Frage nach der Motivation und bekamen von Regionalleiter Günther Fröber auch Antworten, die aber vereinbarungsgemäß nicht zitiert werden können. Nach einem ersten Telefonat riss der Kontakt zu Fröber ab. Er war telefonisch nicht mehr erreichbar und antwortete nicht auf eine Mail-Anfrage. Deshalb konnte der Edeka-Mann auch nicht zum Kauf des Grundstücks im Januar 2016 befragt werden – zu einem Zeitpunkt, als der damalige Flächennutzungsplan den Bau des Supermarktes nicht möglich gemacht hätte. NN-Recherchen zufolge zahlte Edeka einen niedrigen dreistelligen Quadratmeterpreis, der weit höher als der Preis für landwirtschaftliche Flächen und knapp unter dem marktüblichen Preis für Gewerbeflächen lag. Eine reine Investition in die Zukunft mit dem Prinzip Hoffnung?

In den folgenden Monaten ist dann bei der Stadt Neumarkt ein Sinneswandel eingetreten, den es nach der Geschichtsinterpretation von OB Thumann so nie gegeben hat: Im November 2017 hat der Stadtrat mit 18:11 Stimmen den Flächennutzungsplan doch geändert – nach Jahren der Blockade machte das Stadtparlament den Weg für den Edeka-Supermarkt frei.

Und dann gibt es noch den bemerkenswerten Umstand, dass die Stadt von dem ehernen Prinzip abgewichen ist, nur dann Gewerbeflächen auszuweisen, wenn ihr selbst diese Flächen gehören. Dass die Kommune üblicherweise diesem Grundsatz folgt, bestätigte der für Liegenschaften zuständige Stadtdirektor Josef Graf den Neumarkter Nachrichten. Warum ist dies so wichtig? Die Stadt wolle die "Lufthoheit über das Verfahren" behalten und die tatsächliche Bebauung ermöglichen. Graf im NN-Gespräch: "Wo sichergestellt ist, dass die von uns gewünschte Entwicklung stattfindet, muss die Stadt nicht zwingend Eigentümer sein."

Der Liegenschaftsreferent Graf erklärte auf Anfrage aber auch unumwunden, dass sich die Stadt nie aktiv um das Pohl-Gelände bemüht habe. Josef Graf verweist aber auch darauf, dass der Eigentümer der Stadt Neumarkt das Areal nie angeboten hat. Und OB Thumann erklärt den Sachverhalt so: "Das Pohl-Grundstück war für die Stadt nie von Interesse. Deshalb wurde es nicht angekauft."

In Stadtratskreisen sind viele Fragen, Szenarien und Mutmaßungen in Umlauf. Niemand will sich offen dazu bekennen oder zitiert werden. Im Plenum des Stadtrates fiel im November 2017 laut NN-Berichterstattung sogar das Wort "Spekulation". Ein Ratsmitglied wollte vom OB wissen, ob man Edeka schon feste Zusagen gemacht habe. Thumann verneinte dies damals. Er sagte aber auch: "Es besteht eine gewisse Vertrauensbildung zwischen der Firma und uns."

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