„Garten des heiligen Irrsinns“

27.7.2012, 11:14 Uhr
„Garten des  heiligen Irrsinns“

© André De Geare

Der Kunzel hatte ins Foyer des Museums Lothar Fischer typische Werke aus seinem Atelier in Forchheim bei Freystadt mitgebracht, um seine Arbeitsweise zu erläutern. Zum Beispiel die Bemalung der auf dem Acker gefundenen Steine mit langen Strichreihen: wie Saat- und Pflanzreihen. 80 Quadratmeter Steinfläche hat er inzwischen mit dieser Ewigkeitszählung bedeckt: 135 Millionen Jahre altes Juragestein, gespalten durch Frost und Nässe.

Noch ein Zahlenrekord: 135000 Weidenkringel hat er inzwischen geflochten und zu Plastiken gruppiert – was daraus entsteht, bleibt lebendig, verändert sich. Und wenn der Kunzel sich einen Schamanenhut daraus aufsetzt, wird er ein Teil davon.

Für solche raumfüllenden Objekte macht er sich manchmal auch Entwurfszeichnungen: nicht mit dem Pinsel, sondern mit kahlen Zweigen. Dadurch wird das Offene, Unplanbare betont. Er arbeitet sowieso unentwegt daran, komplettiert das dürre, zeichenhafte Geäst durch zusätzliche Kunst-Äste. Wie das geht, macht er den erstaunten Zuhörern vor: ein Spiel mit der Natur: „Ich weiß bei meiner Kunst meist nicht, wo sie mich hinführt.“

Die drei Beispiele führten jedenfalls weiter zu einem Gespräch Kunzel/Dornacher: zum Beispiel zu seiner Einordnung in die Gegenwartskunst. Natürlich fiel da der Name von Josef Beuys, seine Stellung zu ihm, hat sich der Kunzel lange erarbeitet. Dabei ist er auch auf andere Geistesgrößen

des letzten Jahrhunderts gestoßen, etwa Rudolf Steiner, die seine Einstellung zur Natur beeinflusst haben. Auch seine Aktionen (beispielsweise „Schweinskram“ in Regensburg) hätten früher oft einen politischen Hintergrund gehabt – wie bei Beuys: „Kunst ist etwas anderes als ein schönes Bildl malen“, meint der Kunzel. Wichtig sei ihm, zum „Inhalt der Dinge“ zu kommen. Genauso wie bei Beuys gehöre die eigene Person zu den Kunstobjekten: „Bei meinen Feldbegehungen stehe auch ich im Mittelpunkt. Meine Arbeiten leben mit mir.“ Selbst bei lange laufenden Ausstellungen ist er fast immer vor Ort: muss seinen „Garten des heiligen Irrsinns“ pflegen, muss gießen, schneiden – „meine Kunst lebt“.

Dass er sich auch heute noch im Mittelpunkt der Kunstdiskussion sieht, zeigt er an verschiedenen Werken, die derzeit bei der „documenta“ in Kassel gezeigt werden: „Das habe ich schon vor 30 Jahren gemacht.“ Aber im Gegensatz zu dort soll seine Kunst nie den Zusammenhang mit der konkreten Natur vor Ort verlieren: „Dort habe ich meine Wahrheit gefunden.“ Trotzdem sucht er auch das Gegenüber: Das Publikum soll an seinen Ausstellungen teilhaben, darin blättern, sie verändern, etwas verändern und anfassen: „Die Leute sollen etwas begreifen“ – und das meint der Kunzel ganz wörtlich im haptischen Sinne.

So ergab ein Kunzel-Lieblingsthema das andere, etwa der Kunstmarkt, von dem er sich fern zu halten versuche: „Gute Kunst ist immer nur, wenn man Wahrheit sucht“, oder sein meditatives Arbeiten: „Ich arbeite ständig an meiner Kunst, und meine Kunst macht mir ständig Arbeit: die Jahreszeiten sagen mir, was ich machen muss.“

Keine Kommentare