Hilft Neumarkt der Wirtschaft bei der Digitalisierung?

18.3.2018, 16:41 Uhr
Hilft Neumarkt der Wirtschaft bei der Digitalisierung?

© Foto: FIT AG

"Der Standort Neumarkt wird so stark sein, dass er die Zusammenarbeit mit dem Umland braucht." Diesen Schlüsselsatz formulierte Dr. Matthias Segerer von der IHK Regensburg im Bürgerhaus am Ende nach drei Stunden Expertenvortrag, Workshop-Debatten und Forumspräsentation zu der Grundfrage: "Wo steht die Wirtschaft Neumarkts im Jahr 2030?" Einige der rund 40 unternehmerischen Teilnehmer mögen sich bei der Vision des IHK-Experten daran erinnert haben, dass es bei der Kooperation Stadt-Umland immer wieder laut im Getriebe kracht: Eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen dem Landratsamt und dem Rathaus an der Marktstraße sieht anders aus.

Geschäftsmodelle der Zukunft

Gerade bei den wirtschaftlichen Zukunftsthemen wurden diese grundsätzlichen Brüche mehr als deutlich. Im Workshop "nachhaltiges Wirtschaften" übernahm die junge Kommunikations- und Politikwissenschaftlerin Theresa Körner die Rolle der klugen Querdenkerin: Wie gelingt es, den wirtschaftlich starken, bodenständig wie innovativen Mittelstand mit differenziertem Branchenmix durch die umwälzenden Trends der Digitalisierung zu begleiten? Wenn es um die Entwicklung von Geschäftsmodellen für die nächsten zehn Jahre geht: Braucht man da nicht ein "Kompetenzzentrum" für die Digitalisierung des Mittelstandes? Der Workshop setzte dann genau diese Forderung der Wissenschaftlerin der Universität Bamberg an die Spitze der Top-Themen für 2030.

Hilft Neumarkt der Wirtschaft bei der Digitalisierung?

© Foto: Pirkl

Zuvor trat aber hinter verschlossener Tür der Arbeitsgruppe die Bruchlinie zwischen Stadt und Umland deutlich zutage. Denn zur Frage eines kommunal mitgetragenen "Innovationszentrums" für Digitales äußerten sich die obersten Wirtschaftsförderer der beiden Gebietskörperschaften nahezu gegensätzlich. Bei einem solchen Digital-Innovationszentrum muss nach Ansicht des Neumarkter Kämmerers und Stadtdirektors Josef Graf ein "breiter Anstoß der Unternehmen" kommen. "Das muss von der Wirtschaft gewollt werden, die Kommune kann das nicht anschieben." Das sah Michael Gottschalk vom Landkreis ganz anders: "Wir brauchen eine Digitalisierungsstrategie für den Mittelstand." Und der Wirtschaftsförderer ließ keinen Zweifel daran, dass auch Kommunen und Kreis für diesen Anschub verantwortlich sind: "Man muss versuchen, das zu organisieren."

Auch auf dem Feld eines zukunftsfähigen Flächenplanes für Gewerbe und Wohnen ziehen die Stadt Neumarkt und das Umland offenbar nicht an einem Strang — was sie aber nach Ansicht der wirtschaftlichen Zukunftsforscher schon tun sollten. Josef Graf von der Stadt Neumarkt: "Bei den Gewerbeflächen ist kein Austausch da, da herrscht das Kirchturmsdenken jeder Gemeinde vor."

"Neuer Stadtteil"

Hilft Neumarkt der Wirtschaft bei der Digitalisierung?

© Foto: Etzold

Was die Workshop-Riege um die Kommunal-Spitzenbeamten, den Sparkassen-Vorstandsvorsitzenden Stefan Wittmann, Rail.One-Chef Jochen Riepl, den ehemaligen Delphi-Vormann Johann Lang und Citymanager Christian Eisner noch forderten: eine vitale und multifunktionale Innenstadt, eine Anpassung der Verkehrsinfrastruktur und eine ausgeklügelte Bauflächenbewirtschaftung. Der frühere Unternehmenschef Lang setzte sich gar für einen "neuen Stadtteil" ein: "Wenn wir kein Angebot haben, dann bringen wir die Leute nicht her."

Und dann hat Neumarkt offenbar nicht nur ein Fachkräfte-, sondern auch ein Imageproblem: Nach Einschätzung der Wirtschaftsvertreter trifft das Vorurteil gar nicht zu, dass es in Neumarkt zu wenige Arbeitsplätze für Uni-Absolventen geben soll. IHK-Stadtentwicklungs-Fachmann Segerer brachte es so auf den Punkt: "Wir haben was zu bieten, aber es weiß keiner." Und er dachte laut darüber nach, ob das Thema Nachhaltigkeit zur Imagebildung von Neumarkt wirklich ausreichend ist. Zuvor schon hatte auch der Kommunalmarketing-Experte Elias Henrich in seinem Impulsvortrag das Neumarkter Leitthema "Nachhaltigkeit" aufgegriffen und die provozierende Frage nahegelegt: "Ist das unsere Marke, unsere Botschaft?" Letztlich gehe es bei der Wahrnehmung eines Standortes um "Emotionen". Henrich: "Man muss den Mut haben, neue Wege zu gehen."

Diese Tendenz bestätigte auch Silke Auer (IHK), die aus dem Workshop für "weiche Standortfaktoren" Bericht erstattete: "Die Welt ist hier in Ordnung — nur weiß es keiner, wir sehen uns selbst zu negativ und müssen uns besser vermarkten." Der Suche nach geeignetem Wohnraum könne die Entwicklung von "flexiblen Wohnmodellen" helfen. Auch bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gebe es mit Blick auf den Wirtschaftsstandort 2030 noch Defizite.

Aus dem Nachhaltigkeits-Workshop brachte die IHK-Vorsitzende Susanne Horn die Vision mit, dass "jedes Unternehmen einen Klimaschutzplan hat". Die Arbeitsgruppe hat außerdem ein Modell entwickelt, wonach die Stadt in "Energiequartiere" aufgeteilt wird, in denen die Energieverbraucher vernetzt werden. Auch zur Ernährung gibt es eine nachhaltige Vision: die konsequente Umstellung auf regionale Versorgung.

Bei der umfangreichen Erarbeitung des "nachhaltigen" Stadtleitbildes wäre die Wirtschaft um ein Haar unter den Tisch gefallen: Im Herbst 2017 fanden vier thematisch unterschiedliche Nachhaltigkeitskonferenzen in Neumarkt statt. Bei der nun nachgezogenen fünften bedurfte es der Initiative der IHK und der Handwerkskammer — nach Ansicht von Bürgermeister Albert Löhner sicher "nicht die Unwichtigste". Der OB-Stellvertreter: "Das nachhaltige Wirtschaften sollte als Leitlinie der Stadt verfolgt werden."

Keine Kommentare