"Idee des Fleischbrockens"

29.4.2017, 21:27 Uhr

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Die gleichen Bilder, die gleichen Namen von der steinzeitlichen Venus von Willendorf über die Nike von Samothrake bis zu Auguste Rodin oder Joseph Beuys – aber Margrit Brehm vermittelt ihre Kenntnisse über den "Torso als Prinzip" so frisch und nachdenklich, spontan und einfallsfreudig, als wären ihr die Vergleiche und Parallelen eben jetzt erst eingefallen. Vieles kannte das Publikum beim Vortragsabend im Museum Lothar Fischer ohnehin schon aus den Einführungen von Alexander Heil (Loths Neffe und Nachlassverwalter) oder Uwe Rüth anlässlich der Vernissage.

Diesmal gab es immerhin neue Akzentsetzungen und Perspektiven besonders im Hinblick auf das Torsohafte, das den Werken Loths immer eigen ist. "Keine Blüten, keine Blätter" heiße "Torso" eigentlich, die Wiederentdeckung der Antike in der Renaissance beschrieb damit die nur bruchstückhaft erhaltenen Skulpturen – bis Auguste Rodin als erster Künstler der neueren Kunstgeschichte bewusst einen Torso schuf.

Bei Wilhelm Loth fehlen Kopf, Arme, meist die Beine, auf jeden Fall die Füße – seine Frauenbildnisse bewegen sich immer weiter vom realistischen Abbild weg und immer mehr hin zur "Fleischlichkeit" des Rumpfs. Jedes der von Brehm projizierten Bilder wies auf andere Künstler hin, die ähnlich gearbeitet haben, auch auf verschiedenes Material, auf solche trivialen Erkenntnisse, dass Loth zum Werkstoff Plastik deshalb gekommen sei, weil er schlechthin billiger war als Bronze oder gar Neusilber.

Kunst muss in der Moderne nicht mehr schön sein. Darauf hat Loth offenbar gar keinen Wert gelegt bei seiner additiven "Fleischlichkeit", bei den hängenden Brüsten und den Fleischwülsten des Rumpfs – angesichts derer ist man vielleicht um jeden Grad mehr an Abstraktion froh. Loths "Idee des Fleischbrockens", der "dicken Bäuche" oder der vervielfältigten "hängenden Brüste", so Brehm, hätte ihm dazu gedient, den Frauenkörper eine jeweils eigene Geschichte erzählen zu lassen: "Danach hat Loth immer gesucht." Eigentlich bei jedem Schritt seiner künstlerischen Entwicklung, auch dem zur Malerei, den er nach seinen Erfahrungen mit Kunststoff eingeschlagen hat.

Pia Dornacher war froh, mit dem eben erst erschienenen Katalog (im Museum zu 8,50 Euro) das Wissenswerte zu und von Wilhelm Loth sowie über die Neumarkter Ausstellung handlich zusammengestellt präsentieren zu können: auch die Trapezform eines "aggressiven Mädchenidols" oder die Reliefs, die man zur Zeit aus dem Germanischen Nationalmuseum Nürnberg ausgeliehen hat. Damit setzt man sich dann am besten ins Museumsfoyer und liest nach: auch das, was Loth 1991 selbst unter "Mein Thema ist die weibliche Figur" als Definition seiner Arbeit beschrieben hat. Denn unvorbereitet setzt man sich besser nicht dieser "Huldigung an die Frauen" aus. Margrit Brehm jedenfalls hat mit ihren kenntnisreichen Überlegungen in Wort und Schrift ihren Beitrag dazu geleistet.

Nächster Termin: 18. Mai, 19 Uhr, Lesung "Nick Hornby – Nipple Jesus" mit Christian Baumann, Schauspieler und Sprecher, München.

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