Leben und Überleben in Ruinen: Neumarkt in der "Stunde Null"

26.4.2015, 12:37 Uhr
Leben und Überleben in Ruinen: Neumarkt in der

© F.: Stadtarchiv

Fünf Jahre nach dem totalen Zusammenbruch waren die Erinnerungen an die mühsame Auferstehung aus Ruinen noch frisch. 1950 erinnerte das westoberpfälzische Heimatblatt „Wie’s Daheim ist“ an die ersten drei Monate nach Kriegsende. Der Artikel basiert teilweise auf den Memoiren des ersten Übergangsbürgermeisters. Der frühere Finanzbeamte Max Auer war am 23. April 1945 von den Amerikanern eingesetzt worden und hatte in seiner kurzen Amtszeit (bis zum 20. Juni) mit heute unvorstellbaren Widrigkeiten zu kämpfen.

Bürgermeister mit Besen

Dem gehbehinderten Sozialdemokraten stellte die Militärregierung den früheren Bürgermeister Georg Weidner (bis 1931) als Unterstützer zur Seite. Als Not-Rathaus diente der erste Stock des Finanzamts am Oberen Torplatz, das nur relativ wenig abbekommen hatte. „Mit Schaufel und Besen trat der neue Bürgermeister seinen Posten an“, heißt es im Artikel.

Die US-Militärbehörde zog am 24. April ins Haus ein, nachdem schnell durchgefegt worden war. Die Bleistiftfabrik lieferte Bleistifte und Schreibmaschinen, denn ohne Schreibutensilien kommt nun mal keine Verwaltung der Welt aus.

25 unbewaffnete Polizisten wurden losgeschickt, um den Plünderern im Stadtgebiet Einhalt zu gebieten. Diese bedienten sich auch an den Lebensmittellieferungen aus dem Umland, die die dort einflussreichen Josef Gloßner (Brauereibesitzer) und Franz Feihl (Bäckermeister) organisiert hatten. Erst allmählich lieferten die Bauern wieder Milch in die Stadt. Dort waren auch Tage nach der Übergabe viele Kriegsopfer und auch verendetes Vieh noch nicht begraben worden. Bestatter, Totengräber und die Pfarrer leisteten Sonderschichten auf dem Friedhof.

Erste Aufgabe der Stadtverwaltung war die Erstellung einer neuen Einwohnerkartei, die alte war mit dem Rathaus in Rauch aufgegangen.

Leben und Überleben in Ruinen: Neumarkt in der

© F.:

Lehrer und Beamte gingen von Haus zu Haus. Es ging dabei auch um eine korrekte Zuteilung der Lebensmittel, mit ein bisschen Trickserei konnte man da womöglich doppelte Rationen abgreifen. „Deswegen musste danach alles noch einmal abgeglichen werden“, sagt Elisabeth Meier, die ab 1. Oktober 1945, am Tag des Amtsantritts von OB Theo Betz, im Einwohnermeldeamt angestellt war. „Zwei Jahre hat es noch gedauert, bis alle Zettel gestimmt haben.“

Es mangelte an Benzin und Werkzeug zur Beseitigung der Trümmer, Wasser sprudelte aus zerborstenen Rohrleitungen auf die Straße, die Pumpstationen waren hingegen ausgefallen, die Starkstromleitungen größtenteils zerstört. Wohnraum war knapp; es kam vor, dass mehrere Familien in einem Raum hausten.

Die Feuerwehr musste tatenlos zusehen, wie ein Betrieb in der Gießerei niederbrannte: Ihr standen zwar zwei kleine Handspritzen, aber kein Wasser zur Verfügung.

Keine Kommentare