„Manche kommen viel zu spät“

20.9.2014, 13:00 Uhr
„Manche kommen viel zu spät“

© Fritz-Wolfgang Etzold

Kurt Schimek aus Neumarkt war vor seinem Ruhestand bei mehreren Kreditinstituten auf dem Geschäftsfeld Sanierungen und Forderungsmanagement tätig. „Ich mache im Prinzip jetzt das, was ich früher gemacht habe – nur um 180 Grad gedreht.“ Der Bankkaufmann berät gemeinsam mit dem zweiten Aktivsenior Peter Riedl Gewerbetreibende von der Ein-Mann-Firma bis zum Mittelständler mit 200 Beschäftigten. Und zwar immer dann, wenn es wirtschaftlich nicht gut läuft, „das Hochwasser schon im Keller steht“.

Schimek und Riedl haben beispielsweise über drei Jahre einen kleinen Handwerksbetrieb der Lebensmittelbranche mit ihrem Fachwissen und Verhandlungsgeschick begleitet. Die Kreditlast des Handwerkers war so angewachsen, dass die Hausbank schon die Darlehen kündigen und die sicherungsübereigneten Immobilien verwerten wollte. Peter Riedl: „Wir sind frühzeitig mit eingestiegen und haben nach fast zwei Jahren die Umschuldung hinbekommen.“

Der gelernte Industriekaufmann aus Postbauer-Heng kann dabei mit den Banken durchaus „auf Augenhöhe“ verhandeln. Er war über 25 Jahre bei einem großen Bauunternehmen als Niederlassungs- und Bereichsleiter tätig.

Riedl und Schimek nahmen die Produktpalette des schlingernden Handwerkers unter die Lupe und stellten fest: Bei etlichen der teuer erzeugten Artikel gab es kaum Umsatz. Vier von zehn Posten aus dem Riesenangebot haben die Berater schlicht gestrichen.

Firma im Aufwind

Werbung? Marketing? Im Alltag des Handwerkers kamen die Begriffe nicht vor. Bei den rund 40 Beratungstagen mit den beiden Aktivsenioren entwickelte der Kleinunternehmer auch Strategien, wie man neue Kundschaft gewinnt. Alles mündete in einen „Businessplan“, der letztlich auch die neue Hausbank überzeugte. Inzwischen hat der Sohn die Regie in der Firma übernommen. Der Vater arbeitet nur noch mit. „Das Unternehmen befindet sich im Aufwind“, berichtet Kurt Schimek.

Die Ursachen für eine wirtschaftliche Misere sind vielfältig. Häufig fehlt den technisch sehr versierten Handwerkern und Gewerbetreibenden das betriebswirtschaftliche Grundwissen und die Motivation. „Das wird auf die Ehefrauen abgeschoben, die nur die Belege sammeln und zum Steuerberater tragen, viele wissen gar nicht, wie sie wirtschaftlich stehen“, so Peter Riedl.

Aus dieser Unkenntnis ergibt sich das Phänomen, dass manche Kleinunternehmer ihre bedrohliche Lage zu spät erkennen und dann noch den Kopf in den Sand stecken. Riedl: „Manche kommen viel zu spät, aus Angst, sich zu outen. Da kann dann schnell die Bank oder ein Hauptlieferant einen Insolvenzantrag stellen.“

Die beiden Wirtschaftsfachleute repräsentieren im Landkreis Neumarkt den bayernweit tätigen Verein Aktivsenioren mit insgesamt 350 Mitgliedern. Peter Riedl hat am 1. September die Leitung in der gesamten Region Oberpfalz übernommen. Die Ruheständler kommen ausnahmslos aus Führungsfunktionen in Unternehmen und stellen ihre Expertise für sehr kleines Geld zur Verfügung: Die beratenen Firmen zahlen an die Aktivsenioren eine Pauschale von 150 Euro plus Steuer, zuzüglich Spesen für Fahrt- oder Telefonkosten. Ein Mitgliedsbeitrag wird nicht fällig. Das Geld fließt an den gemeinnützigen Verein.

Die Aktivsenioren betonen, dass sie keinesfalls Steuerberatern oder Rechtsanwälten Konkurrenz machen — schon aus rechtlichen Gründen. Auch den Unternehmensberatern nehmen sie kein Klientel weg, denn die betreuten Unternehmen sind oft schon so klamm, dass sie sich die Profis gar nicht mehr leisten können: Deren Tagessätze liegen zwischen 600 und 1200 Euro.

Die beiden Aktivsenioren im Landkreis Neumarkt bieten nicht nur ihre Unterstützung an, sondern sie suchen auch noch Kollegen mit betriebswirtschaftlicher Ausbildung, die in leitender Funktion tätig gewesen sind — und die ihrerseits im Ruhestand als Berater einsteigen wollen.

Kontakt: www.aktivsenioren.de, * (0 91 88) 90 38 89 oder (0 91 31) 4 15 95.

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