Nazi-Lager in Kastl: Das Schicksal der „gestohlenen Kinder“

15.9.2014, 11:00 Uhr
Nazi-Lager in Kastl: Das Schicksal der „gestohlenen Kinder“

© Fotos: Magdalena Kayser

Der heute 82-jährige Professor Zmavc erinnert sich gut an die schrecklichen Jahre 1942 bis 1945, die er in Kastl im Lager für slowenische Kinder verbracht hat, an den 20. September 1942, in dem die Gruppe Kinder und Jugendliche mit dem Zug in Kastl ankam. Im Sommer waren die Kinder in Slowenien von den Deutschen verschleppt worden, also hatten sie Sommerkleider an – egal, wie das Wetter war.

Eine ebenfalls über 80-jährige Kastlerin weiß noch, wie leid ihr als zehnjährigem Mädchen diese Buben getan haben, die sie ab und zu mit kurzen Hosen und kahlgeschoren durch die Kälte laufen sah. Dass es in einem Jahr Schnee bis Mai gegeben hat, weiß Janez Zmavc noch. Zur paramilitärischen Ausbildung, sagt Zmavc, ging es auf einen Exerzierplatz: „Hinlegen, aufstehen, marschieren“, das mussten die Kinder trainieren.

Schmerzhaft sind diese Erinnerungen, je öfter er hierher zurückkehrt, desto deutlicher steht ihm die Zeit vor Augen, sagt er. Immer wieder kam er aus Slowenien nach Kastl, hat ganze Tage bei der Burg verbracht und hat sich seine Erlebnisse als Zehn- bis 13-Jähriger „noch einmal zurückgeholt“, so drückt er es aus.

Nazi-Lager in Kastl: Das Schicksal der „gestohlenen Kinder“

Umso wichtiger war es für ihn und für die weiteren Überlebenden dieser Zeit, an die Grausamkeit, die Greuel und das Unrecht zu erinnern, das die Kinder damals erlitten haben — auch als Mahnung, so etwas nie wieder zuzulassen. Der slowenische Verband der Lagerinsassen „Gestohlene Kinder“ hat die Regisseurin Maja Weiß gewonnen, einen Dokumentarfilm über das Schicksal der mehr als 650 „Banditenkinder“ zu drehen, so wurden sie in den 40er Jahren in Deutschland genannt.

Der Verband hat nun gemeinsam mit der Marktgemeinde Kastl eine Gedenktafel gestiftet, die jetzt in einem feierlichen Akt an der Kastler Burg enthüllt wurde. Eine weitere Gedenktafel soll in Seligenporten aufgestellt werden, wo bis zu 100 Kinder ebenfalls in einem Umerziehungslager festgehalten wurden (siehe eigenen Bericht).

Erschossen oder deportiert

Die Deutschen hatten Slowenien besetzt und gingen hart gegen Widerstandskämpfer und deren Familien vor: Die Männer wurden meist sofort erschossen, die Frauen nach Auschwitz deportiert. Die Kinder wurden, sofern sie in einer „rassischen“ Untersuchung dazu ausgesucht wurden, nach Deutschland in Umerziehungslager gebracht.

Säuglinge erhielten eine neue Identität und wurden zur Adoption freigegeben, die älteren Kinder wurden nach Alphabet, dann nach Geschlecht und Alter aufgeteilt und in Lager verteilt; drei gab es in Bayern: Kastl, Seligenporten und Mainburg. Dort wurde ihnen alles, was sie an ihre Heimat erinnerte, genommen, sagt Professor Zmavc in seinem Grußwort vor der neuen Gedenktafel in Kastl.

Vertreter aller politischen Ebenen begrüßte Bürgermeister Stefan Braun an dem regnerischen Nachmittag an der Kastler Klosterburg: MdB Barbara Lanzinger, Staatssekretär Albert Füracker, MdL Harald Schwartz, Bezirksrat Martin Preuß, Franz Birkl, der stellvertretende Landrat von Amberg-Sulzbach, die zweite Kastler Bürgermeisterin Monika Breunig, Gemeindeheimatpfleger Hermann Römer und mehrere Gemeinderäte waren gekommen.

Ein „Tag stillen Gedenkens, ein Tag des Innehaltens und der Nachdenklichkeit“ sei das, so Bürgermeister Braun in seiner Rede. Man erweise den toten Angehörigen und den Menschen Respekt, die „Unsägliches erleiden mussten“. Wer frage, ob man immer noch an die NS-Diktatur erinnern müsse, verkenne die Bedeutung des Gedenkens: Es „bewahrt nicht nur die Erinnerung an die Opfer, an Leid und Unrecht, es ist auch auf die Gegenwart, auf unsere Zeit gerichtet“.

Weil die Kastler „nicht verdrängen und schweigen“, gebe es nun diese Gedenktafel. Gleichzeitig strecke er die Hand aus, „die Hand des Gedenkens, der Versöhnung und der Freundschaft“, so Braun, und reichte Professor Zmavc die Hand zu einem besonderen Gruß.

Auch Füracker stellte in seinem Grußwort die politische Bedeutung des Gedenkens in den Fokus. „Vergessen ist gefährlich, Erinnern ist deshalb so wichtig, gerade an einem Schauplatz damaliger Ereignisse, an einem Ort wie hier.“ Zu den damals verschleppten Slowenen sagte er, es sei ein „unvorstellbares Unrecht und Leid, das Ihnen hier angetan wurde, als unschuldige Kinder aus ihrer Heimat verschleppt wurden“. Keiner könne nachvollziehen, wie solche traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten seien.

Dazu gehört eben auch, die Erinnerung wachzuhalten. „Wir sind gebrandmarkt, wir wurden physisch und psychisch verletzt“, sagt Professor Zmavc. Das Leid der Kinder soll nicht vergessen werden, fordert er.

Im Kastler Rathaus ist noch bis Samstag, 27. September, eine Ausstellung über die „gestohlenen Kinder“ zu sehen. Jederzeit kann dort auch der Film „Banditenkinder“ gezeigt werden. Geöffnet Mo. bis Do. von 8 bis 16 Uhr, Fr. 8 bis 12 Uhr, Sa., 21. September, von 9 bis 12 Uhr und Sa., 27. September, von 14 bis 17 Uhr.

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