Neumarkt keine Heimat für alle Baustile

10.11.2012, 11:25 Uhr
Neumarkt keine Heimat für alle Baustile

© Fellner

Erst schmetterte die Werkvolk-Kapelle „Muss i denn zum Städele hinaus“; muss er, der scheidende Stadtbaumeister, aber nur bis Rittershof, denn dort wird er wohnen bleiben. Dann ein Tusch für Franz Xaver Heid, das Neumarker Architekten-Urgestein, der dieser Tage den 85. Geburtstag feierte, und schon war Berschneider mitten im Thema: der Stadtbaumeister. Die Nürnberger wollen ihren abschaffen, sagte er, aber das ist wie ein Orchester ohne Dirigent; nur ein erste Geiger sei nicht das Wahre.

Neumarkt keine Heimat für alle Baustile

© Fellner

Der Abend war klug geteilt, Amtsleiter Thomas Beygang und die Sachgebietsleiter Ralf-Peter Hoffmann und Werner Schütt stellten drei Teilgebiete des Bauamtes vor und dazu diskutierte Berschneider gleich anschließend mit dem Alten und dem Neuen. Über ihre Sicht der Dinge, über Wandel und Tradition, über Herausforderungen und Visionen. Das war ambitioniert und sprengte deshalb auch den üblichen Zeitrahmen, doch es war informativ – schließlich sagte der Neue schon andeutungsweise, wie er sich die Zukunft der Stadt in baulicher Sicht vorstelle, wohin er Neumarkt führen wolle.

Viel bewegt

Stadtplanung, Hoch- und Tiefbau waren die Felder, und auf denen hat sich in den fast 20 Jahren, in denen der Stadtbaumeister Müller-Tribbensee hieß, viel bewegt. Das Konzept einer Belüftung des Stadtgebietes, die LGS mit ihrem Zentralgelände, Altstadtsanierung, Ausbau und Aufwertung der Infrastruktur, der Wandel der Stadt mit ihren Bewohnern, Sanierung und Umbau der Schulen zu Ganztagseinrichtungen, das Jugendzentrum, die Gebäudeleittechnik für städtische Liegenschaften, die Friedhöfe. Beygang: „Bei den schönen Eingängen freust du dich auf die Ewigkeit.“

Meilensteine im Tiefbau, vorgestellt von Schütt. Das riesige Regenrückhaltebecken an der Freystädter Straße, der Neubau der 101-jährigen Eisenbahnbrücke an der Ingolstädter Straße, die Pflege von 100 Kilometern Wasserläufen im Stadtgebiet und vieles mehr sei zu stemmen gewesen.

Was bleibt? „Ich habe nichts zu revidieren“, sagte Müller-Tribbensee. Der Umbau der Stadt zur grünen Gartenstadt sei gelungen, und die müsse gepflegt werden. Einig war sich die Runde darin, dass nicht alle Baustile Europas in Neumarkt zuhause sein können. Das Stichwort Toskana-Haus kam von Berschneider, der trotzdemfür ein Aufweichen der ihm zu starren alten Bebauungspläne plädierte. Da plagte ihn die teuere Erinnerung an eine etwas zu freie Interpretation der Kniestockhöhe bei einem Objekt in Mühlen. Er gestand: „Da haben meine Frau und ich oft schlaflose Nächte gehabt, weil da gar nichts ging.“

Müller-Tribbensee schmunzelte und konterte: Nur durch einen Bebauungsplan habe ein Bauherr Planungssicherheit, was um ihn herum passiere, daher also Abstandsflächen, Dachneigung, Stellplätze und eben auch Kniestockhöhe, sagte er. Seemann zeigte sich nachgiebiger, die Höhe des Gartenzauns müsse nicht auf den Zentimeter festgelegt werden. Im Kern pflichtete er aber Müller-Tribbensee bei: „Es ist ein Fehler, dem Trend, alles zuzulassen, nachzulaufen.“ Und fügte selbstbewusst an: Wenn einer alles so bauen will, wie er will, könne er das außerhalb der Stadt, da gebe es geeignetere Orte dafür.

Was nicht fehlen durfte: Der Neue Markt. Da komme eine große Aufgabe auf Seemann zu. Müller-Tribbensee bedauert immer noch, sagte er, dass das Modell des Wettbewerbes nicht umgesetzt worden ist. Und, dass durch den Bürgerentscheid wichtige Jahre verloren gingen. Sein Nachfolger blieb, der Kürze der Zeit in Neumarkt geschuldet, eher vage; aber er weiß, was auf ihn wartet. Genauso das Ganzjahresbad. Da brauche es einen langen Atem, sagte Seemann, und er hätte sich gefreut, in eine Stadt zu kommen, in der es so etwas schon gibt. Schließlich habe er die Ehre, nun schon das zweite Hallenbad planen zu dürfen. Das erste habe er vor zehn Jahren angefangen und wenn alles gut gehe, werde es bald errichtet.

Absprache großgeschrieben

Wie sei es denn, wollte Moderator Berschneider wissen, wenn ein Bauherr vom Bauamt nicht das OK bekomme und zum OB marschiere als oberste Behörde? Der Saal gluckste, doch Müller-Tribbensee kam elegant um die Kurve. Da werde sich immer abgesprochen, sagte er, und es gebe eine gemeinsame Linie. Was Berschneider auch bestätigen konnte: „Da hatte ich einen Bauherren, der dachte, er kommt beim OB durch – doch als er vom Termin kam, sagte er, der Stadtbaumeister saß auch mit dabei. Voll ins Messer gelaufen.“

Die zwei Gstanzl-Sänger aus dem Bauamt, Thomas Beygang und Christian Finger, griffen gekonnt zu Gitarre und Quetsche, und so war es ein runder Abend, mit dem der Treffpunkt Architektur Niederbayern und Oberpfalz sich vom alten Stadtbaumeister verabschiedete und den neuen gleich etwas beschnupperte.

Ein Geschenk gab es auch zum Abschluss: Einen Hut, strahlte Berschneider, habe er da, in Form eines Hauses: Mit dem Vorgarten nach Satzung, eingehaltenen Abstandsflächen nach allen Seiten, dem Gartenzaun in der richtigen Höhe, dem Dach in Biberrot und, „ganz wichtig, dem Kniestock auf exakt 50 Zentimeter“, sagte er. Der Saal feixte – und der Stadtbaumeister erst recht.

Keine Kommentare