Rubelverfall halbiert Umsatz heimischer Exporteure

1.11.2014, 14:00 Uhr
Rubelverfall halbiert Umsatz heimischer Exporteure

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Professor Michael Popp legt das Handelsblatt vom Mittwoch vor sich auf den Besprechungstisch. Der Aufmacher der Wirtschaftszeitung stimmt den Chef des Neumarkter Naturpharma-Herstellers Bionorica positiv: Russische Banken und Großunternehmen sollen gute Chancen haben, vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die Wirtschaftssanktionen des Westens vorzugehen. Warum das Popp freut? Was gut ist für die russische Wirtschaft, ist auch gut für den Neumarkter Pflanzenarznei-Produzenten.

Dieser Tage dann zog erstmals seit langem der Rubelkurs gegenüber dem Euro leicht um 2,6 Prozent an — nachdem er seit Ende Juni auf einer massiven Talfahrt war. Bionorica kann das nicht egal sein, denn ein knappes Drittel des Medikamentenabsatzes der Neumarkter geht nach Russland. Dort rechnet Bionorica in Rubel ab. Wenn der weniger wert ist, dann sind auch weniger Euro in der Kasse. Einen Ausgleich über Preiserhöhungen will und kann Bionorica nur teilweise vornehmen. „Wir können den Rubelverfall nicht komplett an die Verbraucher weitergeben, wir möchten nicht, dass das auf dem Rücken der Patienten ausgetragen wird“, sagte Professor Popp im NN-Interview.

Auch in der Ukraine sei die Währung über Nacht dramatisch abgewertet worden. Bionorica habe daraufhin mit den Großhändlern über neue Konditionen verhandelt, um massive Preiserhöhungen zu verhindern. Popp: „Arzneimittel müssen auch in einer so schwierigen Phase bezahlbar bleiben.“

„Ein toller Markt“

Trotz der Währungsprobleme ist es Bionorica gelungen, in Russland die Absätze zu steigern und Marktanteile zu übernehmen. Mittel- und langfristig wird sich laut Professor Popp auch an der Geschäftspolitik nichts ändern: „Russland ist ein strategisch wichtiger, toller Markt.“ Deshalb hält das Neumarkter Unternehmen auch an Plänen fest, im russischen Woronesch 500 Kilometer südöstlich von Moskau ein eigenes Werk zu errichten. Einen Zeitplan und die Zahl der zu schaffenden Arbeitsplätze nannte Popp nicht.

Rubelverfall halbiert Umsatz heimischer Exporteure

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Der Bionorica-Chef erinnerte an die Rubelkrise 1998: Während viele westliche Firmen damals Russland verlassen hätten, habe Bionorica in Moskau eine große Immobilie gekauft. Das Unternehmen beschäftigt dort heute knapp 200 Mitarbeiter.

Trotz des hohen russischen Umsatzanteils sieht Popp bei der traditionell starken Eigenkapitalquote und bester Ratings keine Probleme für das Gesamtunternehmen: Bei der Budgetplanung seien solche Risiken immer „eingepreist“. Popp: „Auch das Szenario für das nächste Jahr steht.“

„Go East“ war auch bei Dehn erst 2013 mit der Gründung einer eigenen Landesgesellschaft die Devise. Der Weltmarktführer für Überspannungs-, Blitz- und Arbeitsschutz aus Neumarkt bekommt das Konjunkturtief in Russland, Inflation und Rubelkursverfall nach eigenen Angaben zu spüren. „Wir sorgen uns um die Exporte nach Russland“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme des Geschäftsführers für Marketing und Vertrieb, Helmut Pusch. Spezifische Marktdaten gehen aus der Verlautbarung des Dehn-Managers nicht hervor. Man werde die „Geschäftsentwicklung weiter aufmerksam beobachten und entsprechende Maßnahmen ableiten“, so die wenig überraschende Auskunft. Trotz der schwierigen politischen Lage glaube Dehn weiter an die „Potenziale des russischen und eurasischen Marktes“.

Rubelverfall halbiert Umsatz heimischer Exporteure

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Auch für den Berchinger Abwasserspezialisten Huber SE mit 650 Mitarbeitern im Landkreis sind die russischen Verwerfungen keine Kleinigkeit: Zehn Prozent des Umsatzes hat der Kläranlagenhersteller in Russland gemacht — bisher. Doch allein der Kursverlust des Rubel hat in der Folge den Umsatz der Berchinger in Russland schlicht halbiert.

Bitte um Nachlässe

Nach Angaben von Vertriebsvorstand Rainer Köhler hätten Kunden in Projekten schon Bestellungen reduziert oder bei laufenden Aufträgen wegen Preisnachlässen angefragt. „Wir können das so nicht bezahlen“, lautet nach Köhlers Auskunft oft die Aussage der russischen Kunden.

Huber macht im Moment in Russland die Erfahrung, dass in 2014 geplante Bestellungen auf den Prüfstand kommen oder neue Vorhaben erst einmal verschoben werden. Andererseits könnte Huber gerade von russischen Importbeschränkungen für Lebensmittel aus dem Westen sogar profitieren: Vertriebsvorstand Köhler schließt nicht aus, dass die heimische Lebensmittelindustrie ihre Kapazitäten vergrößert. „Das bringt vielleicht mehr Aufträge, eine Chance für uns.“

Trotz der Turbulenzen sei man bei Huber optimistisch und gehe mittelfristig von einer „Entspannung“ aus. Rainer Köhler: „Wir sehen Russland als großen Potenzialmarkt, wir werden unsere Aktivitäten vorsichtig ausbauen.“ Huber SE hat eine eigene Tochtergesellschaft in Moskau mit zehn Mitarbeitern.

Ein Großunternehmen aus dem Landkreis hat überhaupt keine Probleme mit Russland. Die Firmengruppe Max Bögl muss sich wegen des Rubelkurses keine Sorgen machen — weil sie keine Baustellen in Putins Reich hat.

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