Schwänzen kann für Schüler teuer werden

19.4.2018, 05:52 Uhr
Notorische Schulschwänzer sind in den unteren Klassen selten. In der Regel haben die Eltern vergessen, ihr krankes Kind zu entschuldigen.

© dpa Notorische Schulschwänzer sind in den unteren Klassen selten. In der Regel haben die Eltern vergessen, ihr krankes Kind zu entschuldigen.

Die letzte Konsequenz: Dem notorischen Blaumacher wird vom Gericht ein "Ungehorsamkeitsarrest" aufgebrummt. Ein Denkzettel im Jugendknast blühte vor ein paar Jahren einem jungen Neumarkter, der sogar mit Haftbefehl gesucht wurde. Die fälligen Geldbußen hatten der 15-Jährige und sein Elternhaus ignoriert. Knapp 200 Euro solle der Teenager schleunigst zahlen, beschied das Amtsgericht, sonst müsse er für eine Woche in der JVA – aber in den Ferien.

Schulverweigerer an Grund-, Mittel- und Realschule oder am Gymnasium sind im Landkreis Neumarkt aber eher die Ausnahme. Die Mehrzahl wird an der Staatlichen Berufsschule Neumarkt unterrichtet – oder eben nicht. Das seien aber keine Schüler mit Lehrverträgen, schränkt Schulrektor Albert Hierl ein. "Die wissen von Anfang an, worauf sie sich einlassen."

2,50 Euro pro Fehlstunde

Das Problem tauche nur bei jungen Leuten ohne Ausbildungsverhältnis auf, die die Berufsschulpflicht (bis zum Ende des 12. Schuljahres) "absitzen" müssen. Im ersten Berufsschuljahr erschienen sie in der Regel noch, sagt Hierl. "Wenn sie dann im zweiten Jahr noch keinen Ausbildungsplatz haben oder generell nicht ausbildungsreif sind, verlieren manche zunehmend das Interesse an der Schule."

Die Ordnungswidrigkeit Schulschwänzen verjährt schon nach einem halben Jahr. Deshalb muss die Anzeige rechtzeitig auf dem Tisch von Mona Reuschel landen, um noch eine pädagogische Wirkung zu entfalten.

Die Sachbearbeiterin am Landratsamt ist im Amt für Sicherheitsangelegenheiten, Jagd und Fischerei auch für die "Jagd" auf chronische Schulschwänzer zuständig. Wenn Verweise und Polizeibesuch nichts fruchten, "dann landen sie bei mir", sagt Reuschel. Mit 1,50 Euro pro versäumter Schulstunde und einer Verwaltungsgebühr in Höhe von 28,50 Euro kommen "Ersttäter" noch relativ günstig weg. Bei Wiederholung werden schon 2,50 Euro pro Fehlstunde fällig. "Das summiert sich in den krassesten Fällen auf mehrere 100 Euro im Jahr." Und auch wenn sie 2017 nur noch 63 Bußgeldverfahren eingeleitet hat, viel weniger als im Jahr davor (102), findet Reuschel die Umstände doch oft "erschreckend". Da gebe es Schüler, die schon ihren dritten "Bescheid zum Einrücken" erhalten hätten. "Viele wollen es einfach wissen oder zahlen erst im allerletzten Moment."

Allerdings schauen die Schulpsychologen in Fällen "ausgeprägten schulvermeidenden Verhaltens" zunehmend genauer hin. Entpuppt angstbedingter "Schulabsentismus" sich doch häufig als Symptom für eine psychische Erkrankung. Laut der Schulvermeider-Ambulanz, die 2012 am Bezirksklinikum Regensburg eröffnet wurde, sind Schüler aller Jahrgangsstufen und aller Schularten davon betroffen, mehr Jungen als Mädchen.

Am Samstag trafen sich Jugendpsychologen und Schulberater an der Uniklinik München zu einem Symposium zum Thema "Schulabsentismus". Nach Angaben des Veranstalters fehlt etwa jeder 20. deutsche Schüler im Durchschnitt vier bis zehn Schultage im Monat unentschuldigt.

Monate nicht im Unterricht

"In der kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung sehen wir nicht selten Jugendliche, die ,fast unbemerkt‘ länger als sechs bis neun Monate nicht in die Schule gehen", berichtete Professor Dr. Gerd Schulte-Körne, der Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie am Klinikum der LMU.

Naturgemäß dürfte die Dunkelziffer bei Verstößen gegen die Schulpflicht hoch sein. Das bayerische Innenministerium zählt lediglich diejenigen Schüler, die vormittags von der Polizei aufgegriffen werden. Seit 2015 registriert man aber auch hier einen Anstieg von 2700 auf 3000 Fälle.

Bundesweit laufen bereits einige Projekte, die den schwierigen Weg zurück zu einem regelmäßigen Schulbesuch multiprofessionell angehen. Schule, Jugendhilfe, Kinder- und Jugendpsychiatrie und nicht zuletzt die Eltern werden alle mit ins Boot geholt. Denn nicht selten ist das Zuhause Teil des Problems. "Es kommt auch bei uns vor, dass sich Eltern von minderjährigen Schulschwänzern überhaupt nicht zuständig für ihr Kind fühlen", sagt Mona Reuschel.

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