Stadt bittet die Anwohner in Neumarkt weiter zur Kasse

28.3.2015, 10:42 Uhr
Stadt bittet die Anwohner in Neumarkt weiter zur Kasse

© Foto: Wolfgang Fellner

Die Fronten waren ziemlich verhärtet, die Positionen schon bei vielen Treffen in den vergangenen Monaten und Jahren bezogen, entsprechend aufgeladen die Atmosphäre. Johanna Stehrenberg von den Grünen, die dem Antrag auf Abschaffung eigentlich zustimmen wollte, bezeichnete die Äußerungen ihrer Sitznachbarn Gloßner und Madeisky (Flitz), die Angriffe gegen den Oberbürgermeister und den gesamten Stadtrat als „unter aller Gürtellinie“, Peter Grewe (UPW) forderte, persönliche Diffamierungen des gesamten Gremiums durch die Geschäftsordnung zu ahnden.

Entzündet hatte sich die hitzige Debatte an der Begründung des Antrags durch die Flitz-Stadträte, die es als ungerecht und unsozial bezeichneten, die Bürger bei Straßensanierungen zur Kasse zu bitten. „Hier wird zugegriffen, weil es die Kleinen sind und keine Gegenwehr zu erwarten ist“, empörte sich Hans-Jürgen Madeisky, „wenn der Bürger aber Bögl heißen würde, dann wäre die Abschaffung sicher längst durchgewunken“.

Ungerecht sei das ganze auch deshalb, weil manche eben weniger oder gar nichts bezahlen müssten. „Ich bin einer von drei Stadträten, die nach der Sanierung des Stadtviertels nichts bezahlen mussten, weil ein Verfahren gewählt wurde, das die Kosten herunter gerechnet hat“ hieb Gloßner in die gleiche Kerbe und brachte damit nicht nur den Leitenden Rechtsdirektor Jürgen Kohler auf die Palme. „Die Unterstellung, es sei willkürlich falsch abgerechnet worden, kommt einer üblen Nachrede gleich“ stellte Kohler sich demonstrativ hinter seine Amtsleiterin. Es gebe eben andere Rechtsgrundlagen in der Altstadt, bei Anlieger-, Erschließungs- oder Hauptverkehrsstraßen.

„Lauter Unwahrheiten“

„Lauter Unwahrheiten“ empörte sich auch Oberbürgermeister Thomas Thumann und verwahrte sich gegen die Vorwürfe. Und verdeutlichte gerade am Beispiel des Neuen Marktes das Prozedere: Hier werde die Firma Bögl als Grundstücksbesitzer mit rund einer Million Ausbaubeiträgen zur Kasse gebeten — Geld, das bei einer Abschaffung der Satzung in der Kasse fehlen würde. Und laut Aussagen von Staatssekretär Albert Füracker würde die Stadt wohl kaum noch zwei Millionen Schlüsselzuweisungen vom Freistaat bekommen, wenn sie selbst freiwillig auf Einnahmen nach der Straßenausbausatzung verzichtet.

Kohler versuchte, mit den juristischen Fakten mehr Sachlichkeit in die Diskussion zu bringen. Es sei schlicht eine Vorgabe des Gesetzgebers, dass die Kommunen auf die Anwohner zurückgreifen sollen. Und „soll“ heißt im Juristendeutsch „muss“, so Kohler, wenn nicht besondere Umstände vorliegen würden. Für eine Ausnahme von der Erhebungspflicht gebe es nur einen sehr eng begrenzten Ermessensspielraum.

Helga Hoerkens brachte das Beispiel Altdorf ins Gespräch und fragte, warum dort die Satzung erst abgeschafft und nun wieder eingeführt worden sei. „Weil die Rechtsaufsicht gesagt hat, das ist Rechtswidrig“, brachte es Kohler lapidar auf den Punkt. Die gleiche Rechtsauffassung teile auch das Neumarkter Landratsamt und auch in München, das immer wieder als Beispiel genannt wurde, werde noch abgewartet, was die Rechtsaufsicht der Regierung von Oberbayern zu der Abschaffung sagt. „Das ist rechtswidrig“, so das Fazit von Martin Meier von der UPW, die deshalb letztlich auch geschlossen dagegen stimmte.

Dabei hatten die Gegner der Satzung auch eine Reihe guter Argumente. So zahlen die Hausbesitzer schon bei der Erschließung der Grundstücke und seien an der Abnutzung selbst sicher weniger beteiligt als der Durchgangsverkehr, so SPD-Fraktionssprecherin Ursula Plankermann. Auch CSU-Sprecher Markus Ochsenkühn sah die Satzung als ungerecht an, da Straßenschäden häufig durch dritte wie beispielsweise bei Grabungen der Telekom verursacht würden.

Ungerecht gegenüber Anderen

„Ungerecht“ wäre es nach Ansicht des Oberbürgermeisters aber insbesondere auch gegenüber all denen, die in den letzten Jahren ihre Beiträge bezahlt haben, die Satzung nun plötzlich abzuschaffen.

Auch über die fragliche Summe, in den letzten Jahren rund 400 000 Euro, wurde trefflich gestritten. „Das bringt die Stadt nicht um“, war das Argument von Satzungs-Gegnern wie Plankermann, die anderen warnten angesichts der vielen im Finanzplan aufgelisteten Vorhaben und der von Kämmerer Josef Graf prognostizierten Abschmelzung der Rücklagen davor, darauf zu verzichten.

Mit 24:11 Stimmen folgte die große Mehrheit schließlich der Rechtsauffassung Kohlers, dass eine Abschaffung nicht zulässig wäre. Gleichwohl stimmten dann aber alle dem Vorschlag von Markus Ochsenkühn zu, einen Arbeitskreis zu gründen, der erörtern soll, wie weit die Stadt den Bürgern entgegenkommen kann.

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