Tausende von historischen Häusern in Gefahr

27.7.2012, 19:00 Uhr
Tausende von historischen Häusern in Gefahr

© Fritz-Wolfgang Etzold

Generalkonservator Prof. Egon Johannes Greipl fand auf der Bühne in Rudolf Müller-Tribbensee einen Adressaten für seine hochnotpeinliche Frage: Warum ist die Stadt Neumarkt so reserviert gegen den Vorschlag, die nach der Kriegszerstörung wieder aufgebaute „Altstadt“ als Ensemble in die Denkmalliste aufnehmen zu lassen?

Der Stadtbaumeister referierte die Bedenken der Stadtratsmehrheit, der Denkmalschutz könnte dann so resstriktiv sein, dass er die Innenstadt auf dem Stand der 50er Jahre konserviert und die „Entwicklung wesentlich behindert“. Müller-Tribbensee: „In der Detailarbeit kennen wir den Denkmalschutz.“

„Mehr Unterstützung“

Später in der Diskussion berichtete der Stadtbaumeister stolz, dass es fast zu 100 Prozent gelungen sei, die Dächer der Innenstadt von Solarstrom-Anlagen freizuhalten — ein Zustand, den die Masse befürworte. „Wir erwarten vom Denkmalschutz mehr Unterstützung“, sagte Rudolf Müller-Tribbensee an dieser Stelle.

Vor dem Hintergrund betonte der Generalkonservator, dass das Landesamt für Denkmalpflege nie das allmächtige Über-Ich sein kann. Seine Behörde sei eingebunden in ein „System“: Die Kommunen, die Privateigentümer, die Planer und Architekten, die untere Denkmalschutzbehörde und der Freistaat wirkten hier zusammen. Letzteren kritisierte Greipl offen: Die finanzielle Unterstützung von Denkmalschutzprojekten durch den Staat sei nicht ausreichend. Bei rund 120000 Bau- und Kunstdenkmälern in Bayern seien rund 3000 gefährdet. Dabei handele es sich vorwiegend um Bauernanwesen und Bürgerhäuser in kleineren Städten. Für deren Erhalt müssten ein bis zwei Milliarden Euro aufgebracht werden. Greipl: „Die Tendenz ist steigend, es droht ein erheblicher Verlust in den nächsten zehn bis 20 Jahren.“

Auch Landrat Albert Löhner forderte den Freistaat auf, die Kürzungen beim Denkmalschutz rückgängig zu machen, weil sonst die Konflikte mit Eigentümern überhand nehmen müssten. Der unteren Denkmalschutzbehörde des Landratsamtes werde es sonst immer seltener gelingen, den Abbruch von Denkmälern zu verhindern. Der Landkreis stelle jährlich etwa 100000 Euro bereit.

Ziel der Expertendiskussion war es auch, Eigentümer dazu zu motivieren, Baudenkmäler zu erhalten. Bauherrn und Investoren müssten mehr auf das wirtschaftliche Potenzial und die hohe Qualität von Altbausubstanz aufmerksam gemacht werden, meinte Architekt Karlheinz Beer.

Und Bezirksheimatpfleger Tobias Appl mahnte, ein effektiver Denkmalschutz in den Ortskernen werde wegen der Landflucht zu einer „Zukunftsfrage für weite Teile der Oberpfalz“. Ernüchternd die Bilanz von Kreisheimatpfleger Michael Kühnlein: „Viele Eigentümer sind auf Abbruch programmiert, die Dörfer sind leider schon sehr stark ausgeräumt.“ Dem standen die durchwegs positiven Erfahrungsberichte der Eigentümer des ehemaligen Express-Werks in Neumarkt, des Pfarrhauses in Pelchenhofen, des Neuwirt-Anwesens am Rödelberg und des Schlosses in Deining gegenüber. Architekt und Denkmal-Eigentümer Georg Hollfelder richtete einen Appell an die Behörden: „Man darf nicht alle Denkmäler zu Museen machen, sondern die private Nutzung muss möglich sein.“

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