Wenn der Firmenchef plötzlich von Bord geht

25.2.2017, 18:50 Uhr
Wenn der Firmenchef plötzlich von Bord geht

© F.: Massimo Percossi/dpa

Der Elektrohändler aus Ostbayern ist bei einem Unfall auf der Skipiste so schwer verletzt worden, dass er im Koma liegt. Der Betrieb des Einzelunternehmers mit 15 Mitarbeitern ist über Nacht kopf- und führungslos. Die Ehefrau und zwei minderjährige Kinder können die Rolle des Chefs nicht übernehmen. Deshalb möchte die Gattin bei Gericht einen Betreuer bestellen lassen. Doch das kann Wochen dauern, erklären die Justizmitarbeiter. Die Hausbank blockiert erst einmal alle Zahlungsflüsse, und die missliche Lage des Unternehmers spricht sich herum: Der Hauptlieferant schickt keine Ware mehr, Kunden stornieren Bestellungen.

Es ist unübersehbar: "Es tritt eine existenzgefährdende Situation für die Firma ein", so Fachanwalt Alexander Rappl bei seinem Vortrag "Was tun, wenn der Chef ausfällt?" bei einer IHK-Veranstaltung im Neumarkter Kloster St. Josef. Was die bedrohliche Lage für den Elektrohändler noch verschärft: Er hat keinen Notfallkoffer gepackt. Da ist der Elektromeister aber in guter Gesellschaft: Rund 70 Prozent der von der IHK befragten Geschäftsführer über 55 Jahre halten keinen solchen Koffer oder ein Notfallhandbuch vor für den Fall, dass sie selbst nicht mehr handlungsfähig sind. Silke Auer von der IHK berichtet von den bezeichnenden Umständen der Umfrage: "Viele haben sich auf den Schlips getreten gefühlt."

"Das ist ein klassisches Verdrängungsthema", so Experte Rappl. Er warnt davor, sich für den Fall einer vorübergehenden oder dauernden Geschäftsunfähigkeit des Unternehmenschefs auf einen Betreuer zu verlassen, denn die Gerichte würden nicht automatisch ein Familienmitglied mit der Rolle betrauen. Diese Situation lasse sich durch eine Vorsorgevollmacht umgehen, die der Geschäftsführer den Kindern, Ehegatten, Mitgesellschaftern, dem Steuerberater oder mehreren Personen einräumen könne. Eine "privatschriftliche" Vollmacht sei zwar rechtswirksam, aber bei Grundvermögen und Kapitalgesellschafts-Anteilen nicht mehr ausreichend. Eine notarielle Vorsorgevollmacht gegen eine Gebühr von rund 250 Euro sei dann erforderlich, so Fachanwalt Alexander Rappl.

Aber eine solche Vollmacht allein reicht nicht aus, um den Niedergang der Firma abzuwenden. Deshalb rät der Experte zum Packen eines leibhaftigen Notfallkoffers, dessen Hinterlegungsort — zum Beispiel beim Steuerberater — den Betroffenen bekannt sein müsse. Die wichtigsten Informationen sollten darin so geordnet sein, dass "der Bevollmächtigte nach zwei Stunden alles im Griff hat": Listen mit den wichtigsten Kunden und Lieferanten, eine Vermögensaufstellung, Versicherungsverträge, Gesellschaftsverträge, Pin-Codes und Passwörter beispielsweise für die E-Mails, Handelsregister- und Grundbuchauszüge, Kredit- und Leasingverträge — und das Testament.

Falsche Testamente

Noch so ein Verdrängungsthema: Hat der Unternehmer für die letzten Dinge nichts geregelt, dann tritt laut Alexander Rappl in der Regel eine Erbengemeinschaft die Nachfolge an. Für den Rechtsanwalt ist das nach aller Erfahrung der "Katastrophenzustand", den der Firmenchef unbedingt vermeiden sollte. Aber 70 Prozent der Bundesbürger haben keinen letzten Willen verfügt — und etwa 90 Prozent aller Testamente von Unternehmern seien schlicht "falsch", so Anwalt Rappl.

Der Jurist spielte bei der IHK-Veranstaltung zahlreiche Beispiele durch, die die rechtlichen Fallgruben anschaulich machten. So gelte der Rechtsgrundsatz, dass Gesellschaftsrecht vor dem Erbrecht steht. Rappl: "Ein Testament bringt nichts, wenn es nicht mit dem Gesellschaftsvertrag abgestimmt ist."

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