NSU: Carsten S. fordert Aussage Wohllebens

13.6.2013, 18:32 Uhr
NSU: Carsten S. fordert Aussage Wohllebens

© dpa

Im NSU-Prozess hat der Neonazi-Aussteiger Carsten S. seinen Mitangeklagten Ralf Wohlleben massiv belastet - von dessen Verteidigern will er sich aber nicht befragen lassen. Er stellte die Bedingung, dass Wohlleben zuvor selbst umfassend aussagt. Das sei für ihn wichtig, sagte S. am Donnerstag vor dem Oberlandesgericht (OLG) München. Ihm gehe es um eine „Waffengleichheit, dass er hier auch aussagt und seine Geschichte erzählt – dass nicht nur ich mich nackig mache, sondern er auch“.

Nach den Hinweisen von S. auf einen weiteren möglichen Sprengstoffanschlag des NSU 1999 in Nürnberg übernahm die Bundesanwaltschaft nun offiziell die Ermittlungen. Man ermittle unter anderem wegen Verdacht auf versuchten Mord, sagte Bundesanwalt Herbert Diemer nach Ende des Verhandlungstages. Das Bundeskriminalamt sei mit den Ermittlungen beauftragt worden. Nach deren Abschluss werde über das weitere Vorgehen entschieden, erklärte er.

Der Anwalt von S., Jacob Hösl, betonte, sein Mandant wolle aufklären, habe aber entschieden, dass er Fragen von Wohllebens Verteidigern erst beantworten wolle, wenn dieser umfassend ausgesagt habe. Wohllebens Verteidiger Olaf Klemke lehnte dies ab. «Ich fass' es nicht», sagte er. «Wir lassen uns nicht erpressen.» Verteidiger Hösl konterte: „Wir hätten auch eine Menge Fragen.“

Carsten S. habe "ohne Rücksicht auf Verluste" ausgesagt

Der ehemalige NPD-Funktionär Wohlleben ist ebenso wie Carsten S. wegen Beihilfe zum Mord angeklagt. S. war nach eigenen Aussagen Mittelsmann zwischen Wohlleben und dem untergetauchten NSU-Trio; er sagte vor Gericht aus, im Auftrag Wohllebens eine Pistole mit Schalldämpfer besorgt zu haben. Damit wurden laut Anklage neun Kleinunternehmer ausländischer Herkunft ermordet. Der 33-jährige Sozialpädagoge ist seit Langem aus der Neonazi-Szene ausgestiegen.

Ansonsten sagte S. noch einmal bereitwillig aus. Nach seiner detaillierten Befragung durch Gericht und Bundesanwaltschaft an den vergangenen Verhandlungstagen antwortete er nun auch ausführlich auf Nachfragen zahlreicher Nebenklage-Vertreter.

Nach dem überraschenden Hinweis von S. zu dem möglichen weiteren NSU-Anschlag in Nürnberg fragte eine Anwältin, ob S. jetzt alles offenbart habe, ob er jetzt - wie er gesagt habe - „nackig“ sei. „Das ist komplett nackig, ja - ohne Rücksicht auf Verluste, auch was meine weitere Zukunft angeht.“ Auf die Frage eines Anwalts, ob es zwischen den drei mutmaßlichen Neonazi-Terroristen - Böhnhardt, Mundlos und Beate Zschäpe - eine Hierarchie gegeben habe, sagte S.: „Da hab ich keine Hierarchie festgestellt.“

Die Bundesanwaltschaft wirft der Hauptangeklagten Zschäpe vor, gleichberechtigtes Mitglied des Trios gewesen zu sein. Sie ist deshalb wegen Mittäterschaft an den NSU-Morden angeklagt. Die Verhandlung wurde am späteren Nachmittag bis kommenden Dienstag unterbrochen - nach der Mittagspause hatten Zschäpes Verteidiger gesagt, ihre Mandantin sei heute „in ausgesprochen schlechter Verfassung“. Am Dienstag soll die Befragung von Carsten S. nochmals fortgesetzt werden. Zeugen für diesen Tag wurden ausgeladen.

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