NSU-Prozess: Bekannte von Zschäpe packt aus

8.4.2014, 18:57 Uhr
NSU-Prozess: Bekannte von Zschäpe packt aus

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Anja S. ist 32 Jahre alt, groß und schlank, sie trägt das lange Haar zum Pferdeschwanz gebunden. André E. ist 34, klein, rundlich und wirkt mit Lederweste, schwarzen Tunnel-Ohrringen und Vollbart etwas abgewetzt. Vor der Jahrtausendwende waren die beiden ein Paar. Er, damals gerade volljährig, lernte Maurer und gehörte mutmaßlich schon zum engsten Helferkreis des untergetauchten NSU-Trios. Sie war noch ein Teenager und hatte ihre Ausbildung zur Hotelkauffrau begonnen.

Am Dienstag sahen sich die beiden zum ersten Mal seit ihrer Trennung im Jahr 1999 wieder – vor dem Oberlandesgericht München: er auf der Anklagebank, sie auf dem Zeugenstuhl. Als Fünfzehnjährige habe sie André E. 1997 auf einem Fest in ihrem früheren Heimatort Breitenbrunn im Erzgebirge kennengelernt, erzählt Anja S.. Sie hätten am Lagerfeuer gesessen und sich die ganze Nacht unterhalten. Wenig später waren sie ein Paar. Dem Stiefvater passte das nicht. Auch er sei zwar rechtsextrem gewesen und habe fortwährend gegen Ausländer und Juden gewettert, habe aber Skinheads nicht gemocht. „Und dann sagte er, der André ist ja einen Kopf kleiner als du, was willst Du mit dem?“

Sie blieb trotzdem mit E. zusammen, die beiden trafen sich heimlich. „Er war unheimlich lieb und loyal“, sagte sie. Wie seine politischen Ansichten waren, will Richter Manfred Götzl wissen. „Er war natürlich schon im rechten Spektrum. Um ganz ehrlich zu sein - oben im Erzgebirge, finden Sie mal jemanden, der das nicht ist.“ Später lernte sie auch Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos kennen. Die drei wohnten nach ihrem Untertauchen eine Zeitlang in einer kleinen Wohnung in Chemnitz. André habe sie ein paar Mal mitgenommen, wenn er das Trio besuchte und Lebensmittel oder Dinge des täglichen Bedarf vorbeibrachte. Es habe Kaffee und Kuchen gegeben.

"Ich wusste nur, dass die sich verstecken müssen"

„Ich wusste nicht, dass die polizeilich gesucht werden, ich wusste nur, dass die sich verstecken müssen“, sagt Anja S. Im Vergleich zu den Dreien habe sie sich wie ein kleines Kind gefühlt und darum lieber nicht gefragt, „was die verzapft haben“. Ob zu erkennen war, wie die Beziehungen zwischen den dreien waren? „Ich hatte mich auch gewundert, wer mit wem – aber da war nichts zu erkennen.“ Anja S. hat den Ausstieg aus der Szene geschafft. Bei ihrer Ausbildung im Hotel lernte sie andere Menschen kennen. Und sie merkte: „Mit Menschen, die nicht so eine Einstellung hatten, fand ich das viel besser.“ André E. wurde ihr zunehmend fremd. Sie hatte keine Lust mehr, sich vorschreiben zu lassen, welche Musik sie hören sollte oder ob sie Döner essen darf. 1999 trennte sie sich von ihm.

Später zog sie nach England, wo sie seit 2005 lebt. Vor Gericht erzählt sie bereitwillig und ausführlich – anders als die meisten Zeugen aus dem früheren NSU-Umfeld, denen Richter Götzl mühsam jedes Wort abringen musste. Und sie druckst nicht herum, wenn es um ihre Vergangenheit geht. Ob sie sich selbst der rechten Szene zugehörig fühlte, fragt einer der Anwälte. „Ja selbstverständlich“, sagt Anja S. Und bekräftigt: „Ich komme aus dem Erzgebirge – finden Sie da mal jemanden, der sich nicht negativ über Ausländer oder andere Nationalitäten geäußert hat.“ Für sie sei das völlig normal gewesen. „Mir war nicht bewusst, dass man noch eine weltoffenere Einstellung haben kann.“

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