1. Februar 1968: Das Gespenst Grippe

1.2.2018, 07:41 Uhr
1. Februar 1968: Das Gespenst Grippe

© Gerardi

Am meisten betroffen sind jedoch die Schulen, in denen zur Zeit die Zahl der Patienten am größten ist. In einigen Gymnasien mußten sogar ganze Klassen vorübergehend geschlossen werden. Trotzdem gibt es für den Leiter des städtischen Gesundheitsamtes noch keinen Anlaß zur Sorge. „Eine alarmierende Häufung von Grippefällen ist nicht festzustellen“, meint Medizinaldirektor Dr. Eduard David.

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Nach einer Umfrage bei den Krankenhäusern, Krankenkassen, großen Betrieben, Ärzten, Apotheken und Schulen hat der Mediziner die Erkenntnisse gewonnen, daß die Krankmeldungen „nicht über einen Kamm“ zu scheren sind. „Echte Virusgrippe mit plötzlichem Fieber, Glied- und Körperschmerzen ist selten festzustellen“, erläutert Dr. David. Nach seiner Auffassung sind die meisten Leute, die zur Zeit das Bett hüten müssen, „einfach erkältet“. Der Chef des Gesundheitsamtes räumt aber ein, daß die Krankmeldungen „das übliche Maß um diese Jahreszeit“ übersteigen.

Ob Grippe oder nur Erkältungen – in den Schulen bleiben die Buben und Mädchen reihenweise aus. Im Melanchthon-Gymnasium mußte gestern Studiendirektor Friedrich Weiß drei fünfte Klassen nach Hause schicken, weil „über die Hälfte der Kinder sich entschuldigen ließ“. In den oberen Klassen ist der Ausfall nicht so gravierend. Teilweise sind sie „sogar komplett“. Oberstudiendirektor Dr. Georg Karl Bauer vom Willstätter-Gymnasium hat auch schon einige stark dezimierte Klassen nach Hause schicken müssen. „Wenn ein Drittel der Kinder fehlt, lassen wir den Unterricht ausfallen“, erläuterte er.

Diese Entscheidung hat das Sigena-Gymnasium bisher noch nicht fällen müssen. „Wir lassen in dringenden Fällen die eine oder andere Stunde nur ausfallen“, meint Oberstudiendirektor Dr. Marin Lange. Im übrigen wurde allenthalben die Erfahrung gemacht, daß die Schüler schon nach wenigen Tagen wieder das Bett verlassen können. Aber nicht nur die Jungen und Mädchen, auch die Lehrer bleiben nicht verschont. „Bei uns fehlen zur Zeit zwölf von 72 Kollegen“, stöhnt Dr. Lange. „Das bringt meinen Stundenplan durcheinander“. Das Rumpf-Pädagogen-Kabinett hilft sich mit Vertretungen und zeitlichen Verschiebungen des Unterrichts so gut es geht.

Apotheken profitieren

Im Gegensatz zu den Gymnasien sind die 56 Volksschulen mit ihren 33 230 Schülern bis jetzt recht glimpflich davongekommen. Sie wurden von der Grippewelle größtenteils verschont“, stellt Schuldirektor Gemählich zufrieden fest. Bis auf die Hegelschule, in der es 150 von 1.224 Buben und Mädchen „erwischt“ hat, liegt der Anteil der erkrankten Schüler unter zehn Prozent. Selten sind die Lücken so groß wie in der dritten Mädchenklasse der Bertha-von-Suttner-Schule, wo 14 von 40 Schülerinnen fehlen.

Ob die Grippewelle ihren Höhepunkt schon überschritten hat, wird vielfach bezweifelt. Eine gute Nachricht für die Apotheken, die eine großen Umsatz an Vitaminpräparaten und Tabletten gegen Erkältungen aller Art registrieren können...

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