1. Januar 1966: Es "glühen" die Drähte im Fernsprechamt

1.1.2016, 07:00 Uhr
1. Januar 1966: Es

© Kammler

Ihnen steht die anstrengendste Nacht des Jahres bevor. Zwischen 23.30 und 2 Uhr „glühen“ die Drähte. Tausende belegen die Telephone, um Freunden und Verwandten Glückwünsche zu übermitteln. Das Fernmeldeamt hat sich zwar auf den Ansturm vorbereitet und zusätzlich 15 Damen verpflichtet, aber es weiß, daß diese Vorsorge kaum etwas nutzen wird. Nach den Erfahrungen früherer Jahre konzentrieren sich die Gespräche eines starken Werktags-Fernsprechverkehrs auf die wenigen Stunden um Mitternacht.

Wer telephoniert? Nun, die Nürnberger untereinander auf jeden Fall. Aber fast genauso viele Gespräche werden in andere deutsche Städte und ins Ausland angemeldet. So wollen es vor allem viele US-Soldaten nicht versäumen, Eltern, Verwandten oder Bekannten in den Staaten "A Good New Year" zu wünschen. Für die Damen in der Karolinenstraße sind diese Gespräche kein Problem. Durch den halbautomatischen Verkehr ist die Verbindung in Sekunden hergestellt.

Erhebliche Schwierigkeiten bereiten dagegen die Gespräche in die Ostzone, die nur zwei "Drähte" führen. Wer erst kurz vor Mitternacht sein Gespräch anmeldet, kann mit Sicherheit damit rechnen, daß er seine Glückwünsche erst am späten Neujahrstag los wird; denn Wartezeiten bis zu 15 Stunden sind keine Seltenheit.

Die Dienststelle will ihren Damen die Arbeit wenigstens ein kleines bißchen versüßen: intern hat man Süßigkeiten und Wein eingekauft. Entkorkt werden die Flaschen aber erst um zwei Uhr. Die zusätzlichen Kräfte werden dann mit Mietautos heimgefahren. Auf ihre Kolleginnen aber rollt eine neue Telefonitis-Welle zu: Hunderte von Bürgern geben Weckauftrag. Sie wollen noch im Morgengrauen zum Neujahrs-Skilaufen losfahren.

Lassen wir die wackeren "Fräulein vom Amt" teilhaben an unserer Silvesterlaune, indem wir ihnen freundlich begegnen und sie nicht anpöbeln; im Fernmeldeamt weiß man davon ein Lied zu singen. In diesem Sinne sollten heute nacht alle die Gläser heben auf das Wohl dieser Damen – Prost!

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