5. November 1965: Millionen für die Strafanstalten

5.11.2015, 07:00 Uhr
5. November 1965: Millionen für die Strafanstalten

© Kammler

Die Wand aus Fertigteilen, vor der selbst hartgesottene Ausbrecher weich werden, bildet die Voraussetzung für die schrittweise Modernisierung und Erweiterung der Gefängnisse in den nächsten zehn Jahren. Allerdings werden zehn Millionen Mark, die noch vor zwei Jahren als voraussehbare Kosten angegeben worden waren, nicht mehr ausreichen. Regierungsdirektor Karl Stöhr, der Leiter der Strafanstalten, schätzt, daß allein für den Erweiterungsbau des Untersuchungsgefängnisses acht Millionen Mark notwendig sind.

1967 soll mit dem Bau begonnen werden; vorausgesetzt, es ist das nötige Geld vorhanden. Die alte Mauer wich den glatten Wänden, damit im Gefängnisareal mehr Platz entstand. Ausgespart blieb zunächst noch ein Haus an der Reutersbrunnenstraße in dem Beamte und Angestellte der Strafanstalten – leider unzulänglich – untergebracht sind. Es soll später abgebrochen und das Gelände in den Anstaltskomplexen mit einbezogen werden.

Daß sich die bisher im Strafvollzug geübte Sparsamkeit rächt und zur Renovierung der lange Zeit vernachlässigten Gefängnisse viel Geld gebraucht wird, ist kein Geheimnis mehr. „Wir haben einen ungeheuren Bedarf, der nicht zuletzt durch die neuen Bestimmungen der Strafprozeßordnung hervorgerufen worden ist“, bekräftigt Regierungsdirektor Stöhr. Zwar gehört das „Kübelsystem längst der Vergangenheit an – in den Nürnberger Strafanstalten gibt es überall Spülaborte und Waschbecken –, aber den Untersuchungshäftlingen werden jetzt Einzelzellen zugestanden. Das Untersuchungsgefängnis muß deshalb erweitert werden. Der Neubau soll parallel zum alten Flügel entstehen und 135 Zellen sowie die entsprechenden Nebenräume enthalten.

Die Werkstätten und Arbeitsräume für die Häftlinge sind kaum mehr menschenwürdig. Sie sind zum Teil notdürftig im Keller des Zellengefängnisses oder in alten „Schuppen“ untergebracht. Dort ist es dunkel und stickig, wahrlich nicht die richtige Umgebung, um einen straffällig gewordenen Menschen zu resozialisieren. Der Chef der Nürnberger Strafanstalten wünscht deshalb neue, heile Werkstätten, die neben dem Zellengefängnis liegen werden.

Entgegen dem früheren Vorhaben, Arbeitshallen in Shed-Bauweise zu errichten, sind jetzt mehrstöckige Bauten geplant, in denen auch die Bäckerei, die Wäscherei und die Küche unterkommen soll. Bis zum ersten Spatenstich gehen aber sicherlich noch einige Jahre vorüber. „Das Projekt befindet sich in der Vorplanung“, erklärte Regierungsdirektor Stöhr.

Außerdem mangelt es in den Strafanstalten an einem zentral gelegenen Gebäude, das sowohl für Gottesdienste als auch für weltliche Veranstaltungen verwendet werden kann. Die verstreut im Frauengefängnis im Zellengefängnis und im Untersuchungsgefängnis vorhandenen Räume, in denen die Häftlinge die Freizeit verbringen oder den Gottesdienst besuchen können, bedingen an den Sonn- und Feiertagen einen hohen Personalaufwand, der Direktor Stöhr nicht mehr vertretbar erscheint. Wann allerdings der „gesellschaftliche Mittelpunkt“ einmal stehen wird, weiß er nicht genau zu sagen.

Neubau ist bald fertig

Sichtbare Fortschritte sind dagegen von der Außenstelle Lichtenau bei Ansbach zu sehen, wo die alte Unterkunftsbaracke mit dem großen Schlafsaal für die im Arbeitshaus verwahrten Menschen bald abgebrochen wird. Dafür wächst ein Neubau mit Einzelzellen, der kurz vor der Vollendung steht. Ein weiteres Haus soll Lichtenau später erhalten. Dorthin werden auch diejenigen Arbeitshaus-Insassen übersiedeln, die jetzt noch das Zellengefängnis bevölkern.

Auch die Außenstelle Waldpflanzgarten in der Nähe von Fischbach wird einen Neubau bekommen, der aus betriebswirtschaftlichen Gründen näher an den Gutshof rückt. Den Gefangenen, die tagsüber gemeinsam arbeiten, stehen dann nachts Einzelzellen zur Verfügung. Wenn dann noch über die Sorge um einen neuzeitlichen Strafvollzug auch genügend neuer Wohnraum für das Aufsichtspersonal gebaut wird, sind die Nürnberger Strafanstalten mustergültig ausgerüstet.

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