1. Februar 1966: Die Enge bedrückt sie

1.2.2016, 07:00 Uhr
1. Februar 1966: Die Enge bedrückt sie

© Gerardi

Zwar strebt am Dutzendteich ihr neues Seminargebäude langsam – zu langsam, wie sie meinen – seinem Richtfest entgegen, doch gerade die letzten Semester vor dem ersehnten Umzug erscheinen den künftigen Lehrern besonders drückend.

„Unsere Hochschule verdient diesen Namen nicht“, sagen sie verärgert und weisen auf die Mängel des ehemaligen Künstlerhauses am Königstor hin, in dem sie schon vier Jahre über die ihnen angekündigte Zeit ausharren. Zugige Fenster und undichte Türen, altmodisches Mobiliar, Papptrennwände zwischen zu großen Räumen, winzige Werkräume für den Unterricht im Töpfern, Schnitzen und Malen, eine Mensa, die der Fülle der hungrigen Studenten nicht gewachsen ist, Hörsäle, in denen die meisten Kommilitonen auf dem Fensterbrett, dem Fußboden oder zu zweit auf einem Stuhl hocken müssen – so sieht ihr akademischer Alltag in Nürnberg aus.

„Uns bleibt gar nichts anderes übrig, als uns an die Öffentlichkeit zu wenden!“, erklärten denn auch die erbosten, weil zu lange auf bessere Zeiten vertrösteten Studentenparlamentarier gestern bei einem Rundgang durch ihre Alma mater, bei dem sie alle Mängel vorzeigten. In der Tat: auf diese Hochschule kann kein Student und kein Dozent stolz sein.

Vielleicht erscheinen manche Mißstände angesichts des Neubaues, den das Kultusministerium als Bauherr seit vielen Jahren – der Grundstein wurde nach zähen Verhandlungen über die Größe des Objektes im Mai 1964 gelegt – plant und von Bauabschnitt zu Bauabschnitt vergibt, in einem milderen Licht. Doch den Studenten, die tagtäglich in baufälligen Räumen lernen und arbeiten sollen, platzt allmählich der Kragen. Sie klagen über schlechte Kontakte zum Ministerium in München, über mangelndes Verständnis seitens der Behörden und über Kurzsichtigkeit, denn die neue Anlage ist für 700 Studenten ausgelegt, doch schon in diesem Semester sind 856 an der Pädagogischen Hochschule eingeschrieben.

„Unser Studentenparlament hat keinerlei Einfluß auf den Bau“, sagt der 1. Vorsitzende Dieter Zylla. „Wir konnten auch nur warnen und darauf hinweisen, daß die Hörerzahl doch eher zunehmen als sich verringern wird. Anfangs war die PH ja nur für 450 Studenten geplant.“ Daß es nun immerhin 700 werden dürfen, nehmen sie mit einem lachenden und einem weinenden Auge zur Kenntnis. „Deshalb wollen wir auch gar nichts mehr fordern!“

Für viele Nürnberger PH-Studenten ist die hiesige Anstalt die einzige, die sie besuchen können. Ihre Eltern wohnen am Hochschulort oder doch in der engeren Umgebung, und aus finanziellen Gründen können es sich die meisten nicht leisten, auf eigenen Beinen zu stehen. Selbst Bayreuth oder Bamberg, die seit kurzem neue moderne Hochschulen besitzen, sind zu weit entfernt.

Wenn im Herbst 1969 das neue Seminargebäude draußen am Dutzendteich fertig ist – dann kommt noch einmal eine qualvolle Durststrecke für die jungen Leute: erst im zweiten Bauabschnitt entstehen die neue Mensa, die Aula und die Heizungsanlage. „Wir werden frieren – und im Pendelverkehr zwischen dem Künstlerhaus in der Stadt und dem Vorlesungsgebäude am Dutzendteich hin- und herwandern dürfen“, befürchten sie.

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