14. März 1966: Eitel Freude bei SPD und CSU

14.3.2016, 07:00 Uhr
14. März 1966: Eitel Freude bei SPD und CSU

© Gerardi

Die Christlich-Soziale Union bucht es als Erfolg, daß sie sich als zweitstärkste Fraktion gehalten und möglicherweise einen Sitz hinzugewonnen hat. „Ich erblicke in dem Ergebnis einen Beweis dafür, daß die Nürnberger Bürgerschaft in allen Schichtungen die sachliche, ideenreiche und konstruktive Arbeit der CSU zu würdigen wußte“, meinte der Fraktionsvorsitzende Dr. Oscar Schneider. Beide große Parteien sind nicht gerade glücklich darüber, daß viele Nürnberger ihr Wahlrecht nicht genutzt haben. Von 342.930 Wahlberechtigten gaben nur 210.575 (64,8 v. H.) ihre Stimmen ab. Bei den unveränderten Listen entfielen davon 91.899 auf die SPD, 48.174 auf die CSU, 11 684 auf die FDP, 1.276 auf die Gesamtdeutsche Partei, 3.805 auf die Deutsche Friedens-Union, 13.243 auf die NPD, 868 auf die Nürnberger Wählervereinigung, 213 auf die Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher und 4.660 auf den Christlichen Volksdienst. Eine Tabelle auf der nächsten Seite gibt einen Vergleich mit den Kommunalwahlen in früheren Jahren in Prozenten.

Eine überschlägige Rechnung ergibt folgende Sitzverteilung für den Stadtrat, die sich freilich in Feinheiten bis zur Bekanntgabe des endgültigen Wahlresultats am Dienstag noch ändern kann: SPD 27 Mandate, CSU 15, FDP 3, DFU 1, NPD 3, CVD 1. Die Sozialdemokraten blieben demnach genau so stark wie bisher, die CSU könnte mit einem Mann mehr im Rathaus vertreten sein, wohingegen die Freien Demokraten mit bisher sieben Sitzen ernsthaft darum bangen müssen, wiederum eine Fraktion bilden zu können. Welche Rolle die Nationaldemokraten im Stadtrat spielen werden, läßt sich vorläufig nicht sagen, denn alle demokratischen Parteien haben klar zu erkennen gegeben daß sie mit ihnen nicht zusammenarbeiten wollen.

Die FDP hat bei dieser Wahl die bittere Erfahrung machen müssen, daß offensichtlich schon wieder Trommelklang und Fanfarenstöße von einem Teil der Bevölkerung höher bewertet werden als ernsthafte kommunalpolitische Arbeit . Ihr Landesvorsitzender Dr. Klaus Dehler setzt allerdings noch große Hoffnungen in die Auszählung der veränderten Stimmzettel, die bei seiner Partei stets besonders ins Gewicht fallen sollen. „Vor sechs Jahren haben wir uns auf diese Weise noch um mehr als ein Prozent verbessert“, sagte er gestern abend, ohne sich freilich irgendwelchen Illusionen darüber hinzugeben, daß sich gerade in Mittelfranken die politische Situation durch das Auftreten der NPD schlimmer verändert hat, als seine Parteifreunde vor dem Sonntag glaubten befürchten zu müssen.

Die NPD sonnt sich im Glanze der vorerst drittstärksten Partei, obwohl sie sogar mit acht Prozent der Stimmen gerechnet hatte. „Wir sind durchaus zufrieden“, ließ ihr Kreisvorsitzenden Dr. Werner Wittich verlauten. Das Wichtigste sei für seine Partei gewesen, vor den Augen der Öffentlichkeit nicht unter das Ergebnis der Bundestagswahl abzurutschen. Von den Sozialdemokraten hingegen wird lebhaft bedauert, daß ausgerechnet diese undurchsichtige Gruppe so einen „relativ hohen Prozentsatz“ erreichen konnte, während sich die CSU mit einer Stellungnahme in dieser Frage noch zurückhielt.

Gerade die Nationaldemokraten waren es gewesen, die am Vorabend der Wahl für den einzigen Zwischenfall in der politischen Auseinandersetzung um den Stadtrat gesorgt hatten. Nach einem wenig beachteten Fackelzug durch die Altstadt und einer sogenannten halbstündigen Großkundgebung auf dem fast leeren Hauptmarkt rückten ihre Anhänger gegen eine Gruppe von Schülern vor, die friedlich am Rande des Platzes Plakate gegen die NPD erhoben. Die Aufschriften wie „NPD an der Macht – Deutschland Gut' Nacht“ und „Vor 33 fing's genauso an – die NPD wär' Deutschlands Untergang“ hatten einige Marschierer in Lederjacken offenbar so gereizt, daß sie tätlich gegen die Andersdenkenden vorzugehen wagten und sich dabei auch von einem starken Polizeiaufgebot zunächst nicht schrecken ließen. Es kehrte erst Ruhe ein, als einer der Angreifer dingfest gemacht war.

Die Hoffnungen der demokratischen Kräfte im Rathaus, mit einer hohen Wahlbeteiligung den Stimmenanteil der Rechtsradikalen drücken zu können, erwiesen sich gestern als trügerisch. Obwohl sich alle ein schlechtes Wetter gewünscht hatten, das die Nürnberger von Ausflügen ins Grüne abhalten und an die Urnen zwingen sollte, waren Schneestürme offensichtlich nicht dazu angetan, das Volk hinter dem Ofen vorzulocken. Mit 64,68 v.H. bleib die Beteiligung weit unter dem Ergebnis anderer Wahlen. In machen Lokalen hatte um die Mittagsstunde noch nicht einmal ein Viertel der Berechtigten die Stimme abgegeben.

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