10. April 1966: Am Chaos vorbei

10.4.2016, 07:00 Uhr
10. April 1966: Am Chaos vorbei

© Eißner

Die Bewohner ruhiger Vororte wie Laufamholz, Mögeldorf und Zabo haben die bittere Gewißheit, daß sie durch die Umleitungen diesmal um ihren Osterfrieden betrogen werden. Die Landpolizei in Lauf und Feucht kann seit Gründonnerstag nur mit größter Mühe ein Verkehrschaos verhindern. Trotz ihrer Anstrengungen bildeten sich immer wieder schier endlos lange Wagenschlangen.

Die Lage auf den Straßen war kaum je vorher so ernst wie vorgestern abend; das Zusammentreffen von Berufsverkehr und Urlauberkolonnen stellte die Polizeibeamten auf ihre erste harte Probe. Auf der Autobahnumleitung gab es mehr Stauungen, als den Autofahrern lieb sein konnte. Durch die enge Mögeldorfer Ortsdurchfahrt krochen die Wagen im Schrittempo. An der Kreuzung Bayern-/Münchener Straße, wo die Fahrzeugströme von der Autobahn München–Berlin–Frankfurt und aus umgekehrter Richtung aufeinanderprallten, mußte ein starkes Polizeiaufgebot die Ordnung aufrechterhalten, weil es die Ampeln allein nicht schafften.

Die Morgenstunden des Karfreitags erwiesen sich als zweiter Prüfstein. An den Autobahnausfahrten Behringersdorf, Mögeldorf und Feucht wurden viele Reisende auf die innerstädtischen Umleitungen abgelenkt, weil sich vor der Baustelle, die nur einspurig in jeder Richtung befahren werden kann, unübersehbare Kolonnen aufgestaut hatten. So reichte die Wagenschlange der Autobahn Frankfurt–Nürnberg von Behringersdorf bis zum Nürnberger Kreuz. Diese Verhältnisse zwangen die Polizei dazu, Verstärkungen bis aus Weißenburg heranzuführen.

Der Ansturm auf den Straßen spiegelt sich auch in einer ungewöhnlich hohen Zahl von Unfällen wider, die von dem regnerischen Wetter noch begünstigt wurde. In knapp 36 Stunden – von Gründonnerstag bis gestern abend – mußten von der Polizei im Stadtgebiet 34 Zusammenstöße aufgenommen werden. An den Unfällen waren 67 Kratfahrzeuge, ein Straßenbahnzug, ein Mopedfahrer, ein Motorradfahrer und vier Radfahrer beteiligt. Es gab 15 Verletzte. Diese Zahlen mahnen alle Ausflügler eindringlich zur Vorsicht.

Die Nürnberger selbst tragen auch dazu bei, das Gewühle auf den Straßen noch zu mehren. Reisebüros wissen zu berichten, daß sie in Scharen zur Tulpenblüte nach Holland und zum Skifahrerkehraus nach der Schweiz und Österreich aufgebrochen sind. Einige zieht es besonderes weit hinaus – mit dem Flugzeug bis nach Sizilien, Spanien, Mallorca und Rhodos. Selbst die ungarische Hauptstadt Budapest gilt als "ausgebucht". Fachleute schätzen, daß jeder zehnte Nürnberger an den Osterfeiertagen auf Achse ist.

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