10. Dezember 1965: Lichterzug zum Krippenspiel

10.12.2015, 07:00 Uhr
10. Dezember 1965: Lichterzug zum Krippenspiel

© Kammler

Tausende säumten schon eine halbe Stunde vor Beginn des Lichterzuges die Straßen, drängten sich am Burgberg und spürten kaum den eiskalten Südwestwind, der ihnen in die Gesichter blies.

Ganz vorne hinter den Absperrungsseilen, bewiesen die Kleinsten, wie brav sie warten können, wenn es etwas vom Christkind zu sehen gibt. In den tiefgestaffelten Reihen der Erwachsenen hörte man derweil ein aufgeregtes Sprachengewirr. Da unterhielten sich die Nürnberger, die Fremden, die Italiener, die Spanier und auch die Amerikaner über den einmaligen Zauber der Vorweihnacht in Nürnberg.

An der Fleischbrücke und in der Kaiserstraße, wo sich die Gruppen aufstellten, war die Aufregung kaum geringer. Dort griffen die Buben in die Manteltaschen, aus denen dünne Stromleitungen von der Batterie hinauf zu Sternen und vieleckigen Laternen führten. Ein Druck auf den Knopf überzeugte sie, daß der erste selbstverlegte Anschluß intakt war.Aber auch die anderen, die mit herkömmlichen Kerzenlichtern in den Laternen zur Burg ziehen wollten, hatten ihre Sorgen. „Wird der Wind mein Licht nicht auslöschen?“, fragten sie besorgt ihre Lehrer.

Oberschulrat a. D. Otto Barthel, auf dessen Initiative der Lichterzug zurückgeht, erlebte die Vorbereitungen jenseits der Pegnitz mit und versicherte, daß seine Idee aus dem Jahr 1948 nie derartige Popularität hätte erreichen können, wenn nicht die Schulen und die Lehrer seine Vorstellung aufgegriffen und verstanden hätten, um sie jetzt zur Tradition werden zu lassen.

Die Könige kamen

Endlich war es dann soweit. Punkt 18.15 Uhr setzte sich die Schlange der mehr als tausend Glühwürmchen in Bewegung, bahnte sich ihren Weg zu dem im Dunkel liegenden Burgberg, teilte sich unterhalb der Freiung in zwei Ströme und rahmte ein Bild ein, dessen obere Abmessungen laternenschwenkende Kinder auf dem Sinwellturm, auf der Burgfreiung und in den Fenstern der Kaiserstallung zeichneten.

Weihnachtliche Musik hatte den Zug zur Burg untermalt, Orgelklänge und Choralmotive wiesen über Lautsprecher auf den Sinn der Stunde hin: aus dem Dunkel der frühen Winternacht verkündet ein Engel hoch auf den Zinnen im Scheinwerferlicht die frohe Botschaft, gibt sie an die Engel im Stall unter der Burgmauer weiter und läßt dann das Bild mit der Krippe im Mittelpunkt erstehen. Höhepunkt ist die Huldigung der drei Könige.

Fernsehen wieder dabei

Fragt sich der unbefangene Zuschauer, was wohl den Zauber dieser Stunde ausmachen mag, so wird er zu verschiedenen Antworten kommen. Altdeutsche Krippenschnitzer haben versucht, die Weihnacht in unsere Breiten zu verlegen und konnten sich dabei nicht genug tun, heimische Landschaft einzufangen. Diesen Hintergrund für lebende Krippenbilder kann die Burg wie kaum eine andere Kulisse liefern. Andere Betrachter mögen angesichts des Windes, der gestern in den Stall blies, nur gedacht haben: so kalt war es in der Christnacht, und wieder andere, darunter die Kinder, freuten sich halt, weil das Christkind geboren ist.

Nur knapp vierzig Minuten hatte das festliche Spiel auf der Burg gedauert. Auf dem Christkindlesmarkt nützte man die Zeit, die Auslagen neu zu gestalten, damit die vielen Besucher der Budenstadt nach dem Weihnachtsspiel ihre frohe Stimmung auf die vielen Herrlichkeiten übertragen konnten, die ihnen dort drei Wochen lang gezeigt werden. „Es gibt nur einen Nürnberger Christkindlesmarkt“, sagte ein Student, und erstand zwei Bratwürste.

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