10. März 1965: Fußballfreunde stehen draußen

10.3.2015, 07:00 Uhr
10. März 1965: Fußballfreunde stehen draußen

© Ulrich

Die Frage, warum nicht wie vorausberechnet 68.800 Besucher in das Städtische Stadion hineingehen, ist allerdings nicht so einfach zu beantworten. Jedenfalls wurden die acht Millionen Mark, die Generalinstandsetzung, Flutlichtanlage und Erweiterung des ursprünglich 42.000 Menschen fassenden Stadions kosteten, zum geringsten Teil für jene Ecken ausgegeben, an denen Zweifel am Fassungsvermögen bestehen. „Im Bereich der Neubauten ist das Fassungsvermögen unbestritten“, versichert der Leiter des Hochbauamtes, Baudirektor Otto Peter Görl. Unstimmigkeiten gäbe es nur auf den alten Wall-Anlagen, für die nur 150.000 Mark notwendig waren, um die Schotterung durch Betonplatten zu ersetzen.

10. März 1965: Fußballfreunde stehen draußen

© Gerardi

Der einzig mögliche Schlachtplan, um die Fehler genau zu erforschen, ist jedoch ins Wasser gefallen. Der Versuch scheiterte, einige Blöcke mittels billiger Eintrittskarten bis zum Rand mit den Besuchern eines Bundesligaspieles zu füllen und auf diese Weise hinter die Kapazität zu kommen. Nachdem man auf die Idee gekommen war, erschienen leider zu keinem Fußballspiel so viele Fanatiker, um genügend Leiber für das Natural-Experiment abzugeben.

So mußte sich die Stadt auf vage Durchschnitts- und Erfahrungswerte verlassen und kam auf die nur im Sommer gültige Zuschauerzahl von 64.300. Marschieren aber die Stadionbesucher im Winter in dicken Pullovern und Mänteln an, passen nur noch 61.000 hinein. „Im Winter kommen aber weniger“, sagte sich Baureferent Heinz Schmeißner zum Trost dafür, daß die Weisheit aus einem Standardlehrbuch der Architektur und die Praxis zwei Paar Stiefel sind. In dem Werk, das sämtliche gängigen architektonischen Zahlen enthält und verrät, wie hoch bei Sportanlagen Trittstufen und wie breit Durchlässe sein müssen, steht auch die Regel, daß sich jeder Gast 46 Zentimeter breit machen darf.

Baudirektor Harald Clauß vom Hochbauamt kommt bei der augenblicklichen Nürnberger Situation auf andere Werte. Bei 61.000 Besuchern darf jeder im Stadion einen Lebensraum zwischen 49 und 54 Zentimetern erwarten. Kommen aber im Sommer 64.300 Menschen zusammen, so stehen sie Schulter an Schulter mit ihren Nachbarn.

Der Raum schrumpft auf die Spanne zwischen 46 und 49 Zentimeter. Diese sommerliche Drängelei kommt ganz bestimmt; sie käme ohne andere Hilfsmittel spätestens im Mai, wenn das Fußball-Länderspiel England – Deutschland im Stadtion angepfiffen wird. Zusätzliche Stahlrohrtribünen sollen helfen. Dafür müssen die letzten Bäume zu beiden Seiten der Haupttribüne umgehauen werden. 5.000 weitere Sitzplätze werden auf diese Weise gewonnen; den Ansprüchen des Deutschen Fußballbundes ist Genüge getan.

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