10. Oktober 1966: Die Schule von morgen

10.10.2016, 07:00 Uhr
10. Oktober 1966: Die Schule von morgen

© Gertrud Gerardi

„Beweglicher Unterricht in einer beweglichen Umwelt“ – so läßt sich am besten das Ziel umschreiben, das die Nürnberger anstreben und das ursprünglich mit einem so abschreckenden Begriff wie Team-Teaching propagiert worden ist. Schuldirektor Dr. Harald Straube, der Verfasser dieser Schrift in der Reihe „Nürnberger Pädagogische Modelle“, erläutert nun ausführlich, welche Neuheiten das geplante Gymnasium für eine Zahl von 1300 bis 1400 Schülern bringen wird. In Kurzform gesagt: weg vom herkömmlichen Klassenzimmer, weg von der Klasse mit 30 bis 50 Mädchen und Buben.

In einer Schule ohne Schicht-Unterricht und ohne Wanderklassen steht jeweils ein Drittel der Zimmer leer, wenn sich die Schüler in Fachräumen aufhalten. „Je größer der Fortschritt ist, desto mehr Fachräume dürften gefordert werden, desto weniger rentabel wird aber auch auf der anderen Seite unser konventionelles System. Es ist also eine Forderung der Vernunft, in Zukunft das Klassenzimmer durch den Fachraum ganz zu ersetzen, den Lehrer nicht zu den Schülern, sondern die Schüler zum Lehrer zu schicken“, schreibt Dr. Straube. Bei einer Schule mit Fachräumen können 25 bis 26 v. H. der Baukosten eingespart werden, was angesichts der Geldknappheit der Stadt zweifelsohne schon für sie spricht.

Aber nicht nur beim Raum setzt der Versuch ein, Zeit und Geld zu sparen. Die Schüler sollen mehr Wissen als bisher vermittelt bekommen und es vertiefen können. Die Klasse mit etwa 30 Gymnasiasten bleibt zwar in irgendeiner Form erhalten, aber sie splittert sich je nach dem Stoff in größere oder kleinere Gruppen auf. Das hat den Vorteil, daß einmal weniger Schüler im kleinen Kreise mit dem Lehrer diskutieren können, zum anderen jedoch auch drei Klassen zusammengenommen den Vortrag eines Lehrers erleben.

Für den Lehrer springt bei diesen neuen Unterrichtsformen auch so manches heraus. „Das Team bietet ihm eine besondere pädagogische Chance, vor allem dort, wo die Einsamkeit des Lehrers in jahrzehntelanger Arbeit in der Schulstube zum Teil zur Schrulligkeit oder Kauzigkeit führt, wo sich Resignation einzustellen pflegt, vermag das Team neue Impulse zu vermitteln“, meint der Direktor für das höhere Schulwesen in Nürnberg.

Der Lehrer kommt heraus aus dem engen Korsett, das da Stundenplan heißt, er erhält eine Möglichkeit, sein fachliches Wissen stärker einzusetzen, und kann sich besser auf den Unterricht vorbereiten, weil er weniger Stunden zu geben braucht. Lehrpraktikanten sollen dazu beitragen, daß der Unterricht besser gelingt, weil sie den Schülern bei ihren Arbeiten und Studien zur Hand gehen. Das Modell-Gymnasium ist nämlich als Tagesschule gedacht, in der den Buben und Mädchen nicht mehr nur Worte und Zahlen an den Kopf geworfen werden, sondern in der sie auch gleich unter fachlicher Anleitung ihre „Hausarbeiten“ machen können. Diese Absicht stellt besondere Forderungen an den geplanten Bau, denn die Schüler sollen ihre Zwischenstunden sinnvoll verwenden können. „Die Schule enthält die notwendigen architektonischen Voraussetzungen: Aula, Bibliothek, Arbeitsräume, Laboratorien, Sportanlagen mit Schwimmbad, Innenhöfe, Spielgelände und Mensa“, erklären Oberbaudirektor Otto Peter Görl und Oberbaurat Hans Tröger zu ihrem Entwurf. Mit einiger Freude dürfen die Schüler obendrein konstatieren, daß für dieses Gymnasium an eine Fünf-Tage-Woche gedacht ist.

Schul- und Kulturreferent Dr. Hermann Glaser meint in einem Vorwort: „Diese Denkschrift will beweisen, daß Theorie in Aktion umschlägt; es ist unsere Überzeugung, daß dabei den Kommunen (Städten) nach wie vor die Aufagbe zufällt, Modelle für die Zukunft zu erstellen und zu realisieren“. Nürnberg ist mit diesem Plan für ein neues Gymnasium auf dem besten Weg dazu.

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