11. Februar 1968: Messeauftakt mit hohen Erwartungen

11.2.2018, 07:00 Uhr
11. Februar 1968: Messeauftakt mit hohen Erwartungen

© Ulrich

Mit hohem Optimismus sehen sie den Bestellungen des Handels entgegen. Groß war die Zurückhaltung im letzten Jahr. Die Läger sind zum größten Teil weitgehend geräumt. Das Weihnachtsgeschäft war gut, und eigentlich kann es sich kein Geschäft leisten durch zu späte Bestellung nicht voll lieferfähig zu sein. Messedirektor Drescher wiederholt: „Man kann nicht mehrere Jahre hintereinander künstliche Bremsen anlegen.“

Zu optimistischen Erwartungen berechtigen auch die Ergebnisse der vorangegangen englischen Messe in Brighton. Viele internationale Aussteller sagten bereits: „Das Geschäft war gut. Dann wird es in Nürnberg auch gut laufen.“

11. Februar 1968: Messeauftakt mit hohen Erwartungen

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Ob diese Erwartungen enttäuscht werden, wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Ein erster Überblick nach stundenlangem Rundgang durch halb-, dreiviertel- und ganzfertige Stände am gestrigen Tag ließ das noch nicht eindeutig erkennen. Ein deutlicher Schwerpunkt, wie im vorigen Jahr die große Zahl neuer Autobahnen, ist noch nicht zu sehen – wenn man vielleicht von dem verstärkten Auftreten von voluminösem Weltraumspielzeug absieht.

Eher könnte man von einer Wiederbelebung von Altbewährtem sprechen. Das zeigt sich beispielsweise im Wiederauftauchen der breiten Spur I bei den Modelleisenbahnen (Lehmann). Eine komplette Spur-N-Minilokomotive bringt man durch das Führerhausfenster des großen Spur-I-Bruders. Andere Firmen, die auf den letzten Messen fast nur Plastikartikel zeigten, besinnen sich zurück auf die Vorzüge des Holzes.

Zahlreiche Aussteller komplettieren ihr Sortiment mit Systemen, die ihnen bisher fehlten – wie beispielsweise Fleischmann, der jetzt auch rollendes Material für Spur-N-Bahnen liefert: lobenswerterweise passend für alle Systeme. Die gleiche Firma liefert neben vielen neuen Fahrzeugen jetzt auch Bausteine für ein Gleisbildstellwerk.

Der andere große Nürnberger Modellbahnfabrikant, Trix, steuert nicht weniger als 139 Neuheiten zur Messe bei – für seine drei Bahnsysteme und auf dem Autobahngebiet. Hier wird jetzt das englische Scalextric-System übernommen (gefertigt zum großen Teil in Frankreich).

Bei Märklin, um bei den Bahnen zu bleiben, gibt es eine große Zahl neuer Lokomotiven und Wagen für Wechsel- und Gleichstrom. Für die Autobahn gibt’s neue Rennwagen und Bahnstücke. Neu auch eine Serie Miniaturautos aus Zinkdruckguß, Rokal beschert seinen Freunden eine TEE-Garnitur, und was Arnold bringt ist oben im Blindtext aufgeführt.

11. Februar 1968: Messeauftakt mit hohen Erwartungen

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Nun aber ein Blick in die Puppenwelt: Trumpf scheint das möglichst naturgetreue Baby zu sein. Das gilt aber nicht so sehr für jene untrüglich als Männlein und Weiblein ausgestatteten Puppenkinder, die vielleicht doch nicht jedermanns Sache sind. Unter naturgetreu ist vielmehr ein mit großem technischen Raffinement und Batterieantrieb erreichtes Nachahmen kleinkindlicher Funktionen zu verstehen. Simpler gesagt: die Puppe, die bisher schon freihändig lief, plappert jetzt dabei. Die Puppe, der man, sie fütternd, mit einem Löffel in den Mund fährt, macht durchaus realistische Kaubewegungen. Kommt man ihr aber mit der Flasche, so saugt sie daran, daß sich ihre Wangen einziehen, während sich ihre Augen zufrieden bewegen. „Selig lächelnd wie ein satter Säugling“ (Christian Morgenstern).

Und die Ankleidepuppe Barbie, welche von ihrem Hersteller stolz als größter Puppenerfolg der Welt gepriesen wird, hat inzwischen auch einige Sätze aus der Teenagersprache gelernt.

Langhaarig, oder: immer langhaariger erscheinen auch zahlreiche Plüschtiere, man spricht schon kurz von „Kämmtieren“. Doch treten sie bei aller Phantasie in der Gestaltung nicht mehr ganz so schockfarben auf wie bei der letzten Messe. Plüschverkleidete Lokomotiven dürften weniger ein Spielzeug als eine Spielerei sein.

Wiederum erfreulich ist die Entwicklung des Holzspielzeuges anzusehen. Da ist zum Beispiel ein Flugplatz entwickelt worden, mit Rollbahnen, vierstrahligen Düsenflugzeugen, Hubschraubern und Doppeldeckern der alten Zeit. Alles aus naturfarbenem Holz, der Wirklichkeit nur stark vereinfacht nachgebildet und doch ausreichend für die kindliche Vorstellungskraft.

Reden wir in unserer selbstverständlich recht unvollständigen Auswahl aber noch vom Weltraum: hier will sich bei der Messe offenbar etwas tun. Weltraumstation, biegbare Astronauten in Weltraumanzügen, Mondschlitten und eine Mondspinne, die sich auf acht Beinen rotierend über Krater voranbewegt: die Landung auf dem Erdtrabanten, Ziel beider Weltmächte, wird hier vorweggenommen. Man fragt sich höchsten und in aller Bescheidenheit, warum die Fabrikanten nicht schon früher kräftig in diesem Bereich eingestiegen sind. Indes: auch der Weg zum Monde ist noch weit.

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