11. Januar 1966: Verbot „durchlöchert“

11.1.2016, 07:00 Uhr
11. Januar 1966: Verbot  „durchlöchert“

© Gerardi

Die Behörde beruft sich darauf, daß die Straßenverkehrsordnung Ausnahmen vom Parkverbot ausdrücklich zuläßt und daß das Bayerische Oberste Landesgericht schon vor gut fünf Jahren den Vorzug für Behördenfahrzeuge als „nicht gesetzwidrig“ erklärt hat. Allerdings will die Stadtverwaltung mit „Extrawürsten“ weiterhin recht sparsam umgehen.

Manchen Nürnbergern wird es ein Dorn im Auge bleiben, daß im Bauhof, vor dem Polizeipräsidium und im Rathaushof die Parkverbotsschilder mit der Aufschrift „Ausgenommen Dienstfahrzeuge“ stehen. Solche Ausnahmen gibt es jedoch nicht nur für städtische Beamte und Angestellte, sondern auch für Ärzte mit der Steckkarte im Auto „Arzt auf Krankenbesuch“ und Schwerstgehbehinderte. Das Verkehrsaufsichtsamt hat selbst noch ein Einsehen mit Brautleuten, die rasch den siebenten Himmel erstürmen wollen und daher eine Sonderregelung an den Stufen zum Standesamt getroffen.

„Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs von Baden-Württemberg ist eine landesrechtliche Entscheidung, die sich auf ein Bundesgesetz nicht anwenden läßt“, erklärt Karl Huber, der Leiter des Verkehrsaufsichtsamtes. Er verweist auf den Paragraphen 46 der Straßenverkehrsordnung, in dem festgelegt ist: „Die Straßenverkehrsbehörden können Ausnahmen von allen Verkehrsbeschränkungen und Verkehrsverboten, die sich nach § 4 (Ermächtigung) erlassen haben, für bestimmte Einzelfälle oder allgemein für bestimmte Antragsteller machen.“ In Nürnberg gehe man mit dieser Bestimmung aber nur äußerst vorsichtig um.

Selbst die Fahrer von städtischen Dienstwagen bekommen – nach Hubers Ansicht – nur dort eine Extrawurst gebraten, wo sie ihnen wirklich zusteht: Im Bauhof und Rathaushof. „Das sind eigentlich Betriebshöfe, die ein privater Unternehmer längst verschlossen hätte“, meint der Leiter des Verkehrsaufsichtsamtes. Es handle sich in beiden Fällen um Flächen, die dem Verkehr entzogen werden könnten, ohne dem Gemeingebrauch etwas zu nehmen. „Die Höfe sind für den fließenden Verkehr von keiner Bedeutung, denn sie werden nicht benötigt, um von einer Straße zu einer anderen zu kommen!“ Die Polizei, die am Präsidium ein Reservat hat, ist ebenso wie die Feuerwehr und Bundeswehr mit sogenannten Wegerechts-Fahrzeugen unterwegs. Ein eigener Paragraph in der Straßenverkehrsordnung befreit Wagen dieser Art von allen Verboten, „so weit dies zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben unter Berücksichtigung der Sicherheit und Ordnung möglich ist“.

Besonders stolz ist Huber auf die Ausnahmeregelung, die mit den Ärzten vereinbart und inzwischen als „Nürnberger Muster“ zu einer ministeriellen Entschließung erhoben worden ist. Die Ärztekammer gibt seit 1961 an Kollegen, die dringend zu Krankenbesuchen gerufen werden können, Steckkarten aus. „Diese Lösung hat sich wunderbar bewährt“, sagt Huber, der sich ebenso wie die Ärztekammer dem Ansinnen widersetzt hat, Dauerparkgenehmigungen für Verbotszonen vor Arztpraxen zu erteilen.

Die dritte Gruppe von Menschen, die an verbotenen Stellen parken darf, ist um diesen Vorzug nicht zu beneiden. Es sind Schwerstgehbehinderte, die nach einer Anordnung des bayerischen Innenministeriums nur so mühsam laufen dürfen wie etwa ein Doppel-Unterschenkel-Amputierter. Mit einem amtsärztlichen Attest oder einer Bescheinigung der orthopädischen Versorgungsstelle erhalten diese leidgeprüften Menschen – unter ihnen Kinder- und Querschnittsgelähmte – eine Steckkarte, die ihnen das Parken bis zu zwei Stunden überall erlaubt. Wie hart in Nürnberg Ausnahmen zu bekommen sind, hat selbst die Justiz erfahren müssen. Sie wollte Sonderrechte für den Parkplatz in der Flaschenhofstraße. Ihr Wunsch wurde nicht erfüllt.

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