11. März 1966: Kreuz mit Kreuzungen

11.3.2016, 07:25 Uhr
11. März 1966: Kreuz mit Kreuzungen

© Ulrich

Die Bundesbahndirektion hatte einige kürzlich geschehene oder gerade noch verhütete Unfälle zum Anlaß genommen, die Presse einmal an Ort und Stelle über ihre vielfältigen Bemühungen um den Unfallschutz an Bahnübergängen zu unterrichten. Auch wollten sich die zuständigen Dezernenten der Bundesbahn endlich den Zorn darüber von der Seele sprechen, daß die Bundesbahn ständig den Sündenbock machen soll, für alles, was sich an Bahnübergängen ereignet, auch für den Leichtsinn der Autofahrer.

11. März 1966: Kreuz mit Kreuzungen

© Ulrich

Während die Journalisten aufmerksam das nützliche Wirken des Betriebsmeisters Hans Heinlein verfolgten, der von den Bahnhöfen Hersbruck und Vorra die Zugmeldungen durchbekam und danach umsichtig seine Schranken schloß, wurden sie gründlich mit Zahlen eingedeckt. Fast eine halbe Milliarde hat die Bundesbahn von 1956 bis 1965 ausgegeben, um Bahnübergänge zu beseitigen, Brücken und Unterführungen zu bauen, selbsttätige Blinklichtanlagen, zum Teil mit automatischen Halbschranken, zu schaffen, Anrufschranken mit neuzeitlichen Wechselsprechanlagen zu versehen. Rund 5.000 Bahnübergänge konnten beseitigt werden, doch sind immer noch 33.400 übriggeblieben.

Allein im Gebiet der Bundesbahndirektion Nürnberg wurden seit 1950 882 Bahnübergänge aufgehoben, 353 Blinklichtanlagen eingebaut und 110 Schranken in Anrufschranken umgewandelt. Noch immer aber gibt es im Bezirk Nürnberg 3.490 Bahnübergänge, an Hauptbahnen alle 2.513 Meter und an Nebenbahnen sogar alle 380 Meter.

"Sämtliche Bahnübergänge durch Unter- oder Überführungen zu ersetzen, ist eine Utopie", erklärte der Dezernent für Bahnübergänge im DB-Bezirk, Oberrat Dipl.-Ing. Friedrich Lindner, aber er setzte auch gleich hinzu: "Warum werden weitere Maßnahmen immer nur von der Eisenbahn erwartet? Schließlich ereignet es sich Tag für Tag vier- bis fünfmal, daß ordnungsgemäß geschlossene Schranken der Bundesbahn von Kraftfahrern durchbrochen oder beschädigt werden." Gewiß seien auch die Schrankenwärter fehlbare Menschen, aber es sei doch eine Tatsache, daß 90 v. H. der Unfälle an Bahnübergängen auf das Versagen von Autofahrern zurückzuführen seien.

Es sei verständlich, daß solche Unfälle schon wegen ihrer meist schweren Folgen besonderes Aufsehen erregten, doch werde ihre Zahl in der Öffentlichkeit beträchtlich überschätzt. Von mehr als einer Million Unfällen im Straßenverkehr 1964 ereigneten sich nur 665, das sind 0,06 v. H., an Bahnübergängen, von 16.432 tödlichen Verkehrsunfällen waren 132, das sind 0,8 v. H., an Bahnübergängen zu beklagen. Trotz der außerordentlich gestiegenen Zahl der Kraftfahrzeuge sinkt diese Unfallrate dank der starken Bemühungen der Bundesbahn seit Jahren.

Nach einem kurzen Überblick des Betriebs-Dezernenten der Bundesbahndirektion, Oberrat Hermann Baumgärtel, über die Auswahl, die psychotechnische Prüfung und fortwährende Schulung der Schrankenwärter wurden die Journalisten im Hauptbahnhof zu ihren geparkten Kraftfahrzeugen entlassen. Mit einer letzten Mahnung, doch die wenigen einfachen Regeln wieder einmal publik zu machen, durch die die Sicherheit am Bahnübergang entscheidend erhöht werden könnte:

"Warnzeichen beachten, ganz gleich, ob mit Lokomotive oder Gatter! Nicht ablenken lassen! Gas weg! Geschwindigkeit in jedem Fall vermindern! Und siehe da: schon ist genügend Zeit, den Zug zu sehen und zu hören, das rote Blinklicht aufzunehmen oder die Schranke zu bemerken. Halt vor dem Andreas-Kreuz!"

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