11. November 1966: "Staat braucht Ergebnisse“

11.11.2016, 07:00 Uhr
11. November 1966:

© Ulrich

Welche Bedeutung der Minister der neuen Institution beimißt, geht aus einem Vergleich hervor, den er später beim Empfang des Direktoriums des Forschungszentrums gebrauchte: es sei eine interdisziplinäre Einrichtung geschaffen worden, die gleichberechtigt sei mit dem (von Prof. Mössbauer initiierten) Physik-Departement in München.

Der Rektor der Universität, Prof. Dr. Johannes Herrmann, bezeichnete das Forschungszentrum als Dokument für die Aufgeschlossenheit der Universität, an ihrer eigenen Reform mitzuarbeiten. Ebenso komme durch die hier beginnende Integration des Lehrkörpers die Verbundenheit der Nürnberger Fakultät mit den Erlanger Fakultäten zum Ausdruck und schließlich zeuge die Bereitwilligkeit der beteiligten Ordinarien, ihre eigene Forschungsarbeit zugunsten gemeinsamer wissenschaftlicher Arbeit zu beschränken, von einer hoch zu bewertenden Einordnungsbereitschaft.

11. November 1966:

© Ulrich

„Dieser Schritt zeigt, daß wir bereit sind, nicht nur von Integration zu sprechen, sondern sie vorzuleben“, betonte Prof. Dr. Karl Gustav Specht, der Dekan der Sechsten Fakultät.

Nach dem Zitat des vor einer Woche von Prof. Volz in Erlangen gebrauchten Bildes, daß ja der Staat der zum Unterhalt verpflichtete Vater des jüngsten Kindes der Alma mater sei, bat Prof. Specht den Minister, mitzuhelfen, daß sich das „Neugeborene“ schnell entwickeln könne – um so eher sei es zu guten Leistungen befähigt.

Investitionen notwendig

Der Kultusminister bekannte sich erneut zu der Auffassung, daß Investitionen für die Forschungsförderung nicht nur notwendig, sondern auch volkswirtschaftlich rentabel seien. Das habe sich sehr deutlich bei den Aufwendungen der USA für das Raumforschungsprogramm gezeigt.

Das in Nürnberg gegründete Forschungszentrum sei für Staat und Gesellschaft schon deswegen von großer Bedeutung, weil im „Zeitalter der Verwissenschaftlichung“ eine moderne Staatsführung nicht mehr ohne die Erkenntnisse der empirischen Sozialwissenschaften planen könne. Die Forschung dieser Disziplinen trage darüber hinaus dazu bei, die Vorurteile zwischen Gesellschaftsgruppen und Völkern abzubauen.

„Unsere Windeln aber waschen wir selbst“, so setzte Professor Dr. Wurzbacher, der erste geschäftsführende Direktor des Forschungszentrums, die Reihe der Vater-Mutter-Kind-Bilder fort, als er seinen Festvortrag begann.

Zu wenig Zeit für Forschung

Professor Wurzbacher analysierte die Berufssituation und -problematik des Hochschullehrers. In seinem weitgespannten Referat, das mit der Feststellung begann, daß der Hochschullehrer nach demoskopischen Untersuchungen bei der Bevölkerung besondere Achtung genießt, zeigte der Gelehrte vor allem die Gründe dafür auf, warum der Ordinarius heute zu wenig Zeit hat für die Forschung.

Diese Situation schade nicht nur der Forschung, sondern auch der Lehre, die ohne aktiven Bezug zur Forschung an Niveau verliere. Ein möglicher Ausweg aus dieser Lage sei das jetzt gegründete Forschungszentrum. Darüber hinaus sei es aber notwendig, die in anderen Ländern schon üblichen Freisemester für Ordinarien einzuführen.

Die allgemeine Freude über das „jüngste Kind“ der Alma mater Erlangen-Nürnberg wurde deutlich überschattet von der mißlichen Lage, in der sich ihre sechste Fakultät befindet.

So brachten die Studenten dem Kultusminister nicht nur bei seiner Ankunft, sondern mit einer bemerkenswerten Ausdauer auch während des Festaktes „Zischkonzerte“ dar, um ihrem Unbehagen Ausdruck zu geben – und obwohl der Dekan, Prof. Specht, meinte, man solle bei dieser Gelegenheit nicht erneut den berechtigten Wünschen und Sorgen Ausdruck geben, klang das Thema doch noch mehrfach an.

Studentischen Beifall erhielt Minister Huber erst, als er versicherte, daß er sich bemühen werde, die vakanten Lehrstühle so bald als möglich zu besetzen. Er wies aber sowohl beim Festakt als auch beim anschließenden Empfang unmißverständlich darauf hin, daß seinen Bemühungen kaum sonderlich Erfolg beschieden sein werde, wenn es nicht gelinge, die Raumnot der Fakultät durch einen Neubau zu beheben.

Er hoffe, so sagte Huber, daß „die Stadt bald zu übereinstimmenden Vorstellungen mit der Universität und dem Ministerium“ über die Bauplatzfrage komme. Das Ministerium sei daran interessiert, daß bald gebaut werde.

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