11. Oktober 1966: Ein Silberschmied in seiner Welt

11.10.2016, 07:53 Uhr
11. Oktober 1966: Ein Silberschmied in seiner Welt

© Gertrud Gerardi

Er und seine Werkstatt verkörpern ein Stück Vergangenheit, das selbst in Nürnberg nicht mehr leicht zu finden ist, ein Stück alter Handwerkskunst und ein Stück staubverhangener Romantik.

Dieser 77-jährige Mann mit seinen lebendigen Augen und seinen nimmermüden Händen könnte ein Gemälde von Spitzweg abgeben, lebte er nicht in Wirklichkeit. Seine Werkstatt im historischen Haus Untere Kreuzgasse 4 mit ihren tausenderlei Gerätschaften, die da herumstehen und von der Decke hängen, ist eine unbeschreibliche Welt, die nur von der Photographie nachgezeichnet werden kann.

11. Oktober 1966: Ein Silberschmied in seiner Welt

© Gertrud Gerardi

So eigenartig dem Gast die Werkstatt anmutet, in der – wie es scheint – tausend Drähte aus den Decken wachsen und Leuchter, Schirme, Werkzeuge, Brillen und den Rock des Alten tragen, so seltsam klingt die wahre Lebensgeschichte des Silberschmieds. Beim Besteckmacher Andreas Müller hat er vor langen Jahren gelernt, ehe ihn das Fernweh in die weite Welt entführte. Auf einem Heringsdampfer huldigte er zuerst der christlichen Seefahrt, um dann auf die Schiffe des Deutschen Lloyd umzusteigen, die Georg Birklein bis nach Südamerika und Australien trugen. Der erste Weltkrieg sah den Seebären bei der Marine, die ihm das Eiserne Kreuz an den blauen Rock heftete.

Des Wanderns auf den Meeren müde, ließ sich Birklein wieder auf dem Hockerchen in der Werkstatt des früheren Meisters nieder. „Ich habe so viel Arbeitslust gehabt, daß ich nach Feierabend noch 72 Löffel geschmiedet habe“, erzählt er und zündet ganz nebenbei eine Zigarette mit einem Lötkolben an. Mit Werkzeug von eigener Hand zog er in den zwanziger Jahren in ein eigenes Haus an der Talgasse, das im Krieg in Flammen aufging.

Im alten Fischerhaus aus dem 17. Jahrhundert in der Kreuzgasse fing der Handwerker noch einmal von neuem an. Mit dem gleichen Eifer wie einst hämmert er noch heute, vor allem Sammelbüchsen aus Messing für die Kirchen. „Da bleibt man in Übung!“ – in Übung für die Glanzstücke aus Silber, die er selbst behält.

Solange Georg Birklein lebt und arbeiten kann, wird er Tag für Tag in sein Gehäuse gehen, die Jacke an den Drahthaken hängen und auf dem schmalen Hocker Platz nehmen. Unter seinem Fenster, das den Blick zum Weinstadel und zu St. Sebald öffnet, rauscht die Pegnitz und mag ihn an seine jungen Jahre auf dem großen Wasser erinnern.

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