11. September 1966: Weltgeschichte im Gerichtssaal

11.9.2016, 07:00 Uhr
11. September 1966: Weltgeschichte im Gerichtssaal

© Privat

Keiner von den vielen alten Nürnbergern, die damals winkend am Wege standen oder sich zumindest des denkwürdigen Ereignisses in ihrer Jugendzeit noch erinnern, konnte damals ahnen, daß der imposante Bau noch zu ihren Lebzeiten für Monate im Blickpunkt des Weltinteresses stehen würde. Im Schwurgerichtssaal wurde am 30. September 1946 über die Hauptkriegsverbrecher das Urteil gesprochen.

Das Justizgebäude hat aber auch in lokaler Hinsicht eine außergewöhnliche Geschichte: in dem halben Jahrhundert seit dem 11. September 1916 war die bayerische Justiz ganze 16 Jahre allein Herrin im eigenen Haus. Durch 34 Jahre mußte sie Räume an andere abgeben, und dieser Zustand wird sich fürs erste nicht ändern. Das amerikanische Exchange-Center beansprucht gegenwärtig noch zwei Drittel des Baukomplexes.

11. September 1966: Weltgeschichte im Gerichtssaal

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Die Zweckentfremdung begann schon, als das Gebäude noch gar nicht eingeweiht war. 1914 wurde im Westteil ein Lazarett eingerichtet. Erst 1923 erhielt die Justizverwaltung diesen Trakt zurück. Bis 1939 waren die Gerichte dann allein in dem Haus. Mit Kriegsbeginn wurde der Westbau wieder Lazarett. Weitere Dienststellen zogen im Laufe der Kriegsjahre ein. Dann trafen die Bomben auch das Justizgebäude und richteten schwere Schäden an.

Nach Kriegsende ließen sich die Amerikaner in dem riesigen Bau nieder. Es dauerte viele Jahre, bis die deutsche Justizverwaltung nach und nach wieder einziehen konnte. Die Wiedergutmachungskammer machte 1960 den Anfang, 1962/63 folgten die Zivilabteilungen des Amtsgerichts und des Landgerichts sowie das Oberlandesgericht.

Nun hoffte die Justiz, daß die mehrfach geäußerte Absicht der Amerikaner, die noch belegten Räume zu verlassen, in absehbarer Zeit in Erfüllung geht. Der verständliche Wunsch, alle Gerichtsbehörden unter einem Dach zu vereinen, hatte in den Jahren vor dem 1. Weltkrieg zu dem Neubau geführt. Nach der Jahrhundertwende waren die Nürnberger Justizdienststellen in verschiedenen Straßen der Altstadt (Weintraubengasse, Augustinerstraße und Karlstraße) untergebracht.

Ursprünglich wollte man den Neubau am Prinzregentenufer errichten. Dann aber entschied man sich für die Fürther Straße, einmal deshalb, weil dort bereits das Gefängnis stand, und zum anderen wollte man den Fürthern weite Wege ersparen.

Die Bauzeit dauerte von Oktober 1909 bis zum Juli 1916. 501 Diensträume wurden vorgesehen. Die Planung war für die damalige Zeit äußerst großzügig. So hatte das Justizgebäude von Anfang an eine eigene Stromerzeugungsanlage, die erst nach dem 2. Weltkrieg aufgegeben wurde. Die Fassade wirkt auch heute noch repräsentativ. Die 13 Plastiken in den Nischen des dritten Stockwerks stellen hervorragende Vertreter der Rechtswissenschaft dar, beginnend bei Kaiser Justinian und endend mit dem 1861 verstorbenen Nürnberger Advokaten und Ratskonsulenten Rudolf Sigmund Freiherr von Holzschuher.

Die offizielle Einweihungsfeier am 11. September 1916 fand in dem holzvertäfelten, von einer Glaskugel gekrönten Königssaal statt. Das vom Protokoll ausgearbeitete Festprogramm ist noch vorhanden. Darin ist beispielsweise zu lesen, wer mit Seiner Majestät im Fahrstuhl fahren durfte. Es waren dies der Justizminister und der Oberlandesgerichtspräsident sowie Obermaschinist Maier als Fahrstuhlführer. Vom letztgenannten liegt noch eine handgeschriebene "Meldung“ bei den Akten, in der es heißt, der Fahrstuhl sei eingehend geprüft und in Ordnung. So war es dann auch, es gab keine Panne.

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